Mittwoch, 14. November 2007
Jean Ziegler...
Die neuen Herrscher der Welt. Ausgewählte Zitate aus Jean Zieglers Werk "Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher".

Die vier apokalyptischen Reiter der Unterentwicklung heißen Hunger, Durst, Seuche und Krieg. Sie zerstören jedes Jahr mehr Männer, Frauen und Kinder, als es das Gemetzel des Zweiten Weltkriegs in sechs Jahren getan hat. Für die Menschen der Dritten Welt ist der »Dritte Weltkrieg« in vollem Gange.

Tag für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100 000 Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. 826 Millionen Menschen sind gegenwärtig chronisch und schwer unterernährt. 34 Millionen von ihnen leben in den wirtschaftlich entwickelten Ländern des Nordens; der weit größere Teil, 515 Millionen, lebt in Asien, wo er 24 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Betrachtet man jedoch den prozentualen Anteil der Opfer, so ist es das Afrika südlich der Sahara, das den größten Tribut zu leisten hat: Hier sind 186 Millionen Menschen dauernd schwer unterernährt, das heißt 34 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten von ihnen leiden an dem, was die FAO »extremen Hunger« nennt; ihre tägliche Lebensmittelration liegt im Durchschnitt 300 Kalorien unter der Menge, die zum Überleben unter erträglichen Bedingungen nötig ist. Die am stärksten von extremem Hunger betroffenen Länder liegen im subsaharischen Afrika (achtzehn Länder), in der Karibik (Haiti) und in Asien (Afghanistan, Bangladesch, Nordkorea, Mongolei).

Alle zehn Sekunden verhungert auf der Erde ein Kind unter zehn Jahren.

Ein Kind, das von seiner Geburt bis zum fünften Lebensjahr angemessene Nahrungsmittel in ausreichender Menge entbehren muss, hat sein Leben lang an den Folgen zu leiden. Einen Erwachsenen, der vorübergehend unterernährt war, kann man mithilfe komplizierter, unter ärztlicher Aufsicht vorgenommener Therapien in ein normales Leben zurückführen. Bei einem Kind unter fünf Jahren ist das unmöglich. Unzulänglich ernährt, haben seine Gehirnzellen bereits irreparable Schäden davongetragen. »Von Geburt an Gekreuzigte« nennt Régis Debray diese Kinder.

Hunger und chronische Fehlernährung stellen einen Erbfluch dar: Jahr für Jahr bringen Hunderte von Millionen schwer unterernährter Mütter Hunderte von Millionen unheilbar geschädigter Säuglinge zur Welt. Alle diese unterernährten Mütter, die trotzdem Leben schenken, erinnern an jene verdammten Frauen bei Samuel Beckett: »Sie gebären rittlings über dem Grabe, der Tag erglänzt einen Augenblick, und dann von neuem die Nacht.«

Eine ganze Dimension menschlichen Leidens fehlt noch in diesem Bild: die erstickende, unerträgliche Angst, die jeden Hungernden peinigt, sobald er erwacht. Wie wird er an diesem neuen Tag den Lebensunterhalt für die Seinen sichern und sich selbst ernähren können? In dieser Angst zu leben ist vielleicht noch furchtbarer, als die mannigfachen Krankheiten und körperlichen Schmerzen zu erdulden, die den unterernährten Körper befallen.

Die Zerstörung von Millionen Menschen durch Hunger vollzieht sich täglich in einer Art von eisiger Normalität – und auf einem Planeten, der von Reichtümern überquillt.

In dem Stadium, das die Erde durch ihre landwirtschaftlichen Produktionsmittel erreicht hat, könnte sie 12 Milliarden Menschen normal ernähren, anders gesagt, sie könnte für jeden einzelnen eine Ration von 2700 Kalorien pro Tag bereitstellen. Doch wir sind heute nur etwas über 6 Milliarden Menschen auf der Erde, und trotzdem leiden Jahr für Jahr 826 Millionen von ihnen an chronischer, krank machender Unterernährung.

Die Gleichung ist einfach: Wer Geld hat, isst und lebt. Wer keines hat, leidet und wird invalide oder stirbt.
Zu den Zerstörungen und Leiden, die den Völkern durch die Oligarchien des globalisierten Kapitals, sein militärisches Imperium und dessen Söldlinge, die Handels- und Finanzorganisatiotien, zugefügt werden, kommen noch jene, die durch Korruption und Untreue im Amt hervorgerufen werden, wie sie in zahlreichen Regierungen zumal der Dritten Welt in großem Stil gang und gäbe sind. Ohne die aktive Mittäterschaft und Korruption der Regierungen vor Ort kann nämlich die Weltordnung des Finanzkapitals nicht funktionieren. Walter Hollenweg, der angesehene Theologe von der Universität Zürich, fasst die Situation treffend zusammen: »Die besessene, schrankenlose Gier unserer Reichen, verbunden mit der Korruption der Eliten in den so genannten sich entwickelnden Ländern, bildet ein gigantisches Mordkomplott. ... Überall auf der Welt und Tag für Tag wiederholt sich der Kindermord von Bethlehem.«

Der Konsens von Washington bezweckt die Privatisierung der Welt. Er beruht auf den folgenden Grundsätzen.

1. In jedem Schuldnerland ist eine Reform des Steuersystems unter zwei Gesichtspunkten notwendig: Absenkung der steuerlichen Belastung der höchsten Einkommen, um die Reichen zu produktiven Investitionen anzuregen, und Ausweitung der Zahl der Steuerpflichtigen; im Klartext: Abschaffung von steuerlichen Vergünstigungen für die Ärmsten im Interesse einer Erhöhung des Steueraufkommens.

2. Möglichst rasche und vollständige Liberalisierung der Finanzmärkte.

3. Garantierte Gleichbehandlung von inländischen Investitionen und ausländischen Investitionen, um die Sicherheit und damit das Volumen der Letzteren zu steigern.

4. Möglichst weit gehende Zerschlagung des öffentlichen Sektors; zu privatisieren sind namentlich alle Unternehmen, die im Besitz des Staats oder eines halbstaatlichen Gebildes sind.

5. Weitestgehende Deregulierung der Volkswirtschaft des betreffenden Landes, um das freie Spiel der Konkurrenz unter den verschiedenen wirtschaftlichen Kräften zu garantieren.

6. Verstärkter Schutz des Privateigentums.

7. Förderung der Liberalisierung der Handelsbeziehungen im schnellstmöglichen Rhythmus, mit dem Minimalziel einer jährlichen Senkung der Zolltarife um 10 Prozent.

8. Da der freie Handel durch Ausfuhren gefördert wird, ist vorrangig die Entwicklung jener wirtschaftlichen Sektoren zu begünstigen, die zur Ausfuhr ihrer Güter imstande sind.

9. Begrenzung des Haushaltsdefizits.

10. Erzeugung von Markttransparenz: Staatliche Subventionen an private Wirtschaftssubjekte sind überall abzuschaffen. Staaten der Dritten Welt, die die Preise der gängigsten Nahrungsmittel subventionieren, um sie niedrig zu halten, müssen auf diese Politik verzichten. Bei den Staatsausgaben müssen diejenigen Vorrang haben, die dem Ausbau der Infrastruktur dienen.

(...) Hunger, Seuchen, Durst und armutsbedingte Lokalkonflikte zerstören jedes Jahr fast genauso viele Männer, Frauen und Kinder wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren. Für die Menschen der Dritten Welt ist der Dritte Weltkrieg unzweifelhaft in vollem Gang. Einige deutsche Ökonomen haben einen neuen Begriff geprägt: »Killerkapitalismus«." Und so funktioniert dieser Kapitalismus neuen Typs:

1. Die Staaten der Dritten Welt bekämpfen sich untereinander, um die produktiven Investitionen zu ergattern, die von ausländischen Dienstleistungsunternehmen kontrolliert werden. Um diese Schlacht zu gewinnen, schränken sie bedenkenlos den sozialen Schutz, die gewerkschaftlichen Freiheiten und den ohnedies schon geringen Verhandlungsspielraum der einheimischen Lohnempfänger ein.

2. Besonders in Europa gehen Industrieunternehmen usw. immer mehr dazu über, Geräte, Laboratorien und Forschungszentren ins Ausland zu verlegen. Diese Auslagerung macht sich häufig so genannte »Sonderproduktionszonen« zunutze, wo ein Schutz der Arbeiter unbekannt ist und die Löhne miserabel sind. Die bloße Androhung der Auslagerung hat eine unglaublich obszöne Rückwirkung: Sie veranlasst den Ursprungsstaat, immer mehr Forderungen des Kapitals nachzugeben, einem Abbau des sozialen Schutzes (Entlassungen, Deregulierungen) zuzustimmen, also mit einem Wort den heimischen Arbeitsmarkt durch »Verflüssigung« unsicherer zu machen.


3. Die Arbeitnehmer aller Länder treten damit in einen Wettbewerb jeder gegen jeden ein. Es handelt sich für jeden und jede darum, eine Beschäftigung und ein Einkommen für die eigene Familie zu ergattern. Diese Situation bewirkt eine zügellose Konkurrenz unter den verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmern, ihre politische Lähmung, den Tod der Gewerkschaftsbewegung – mit einem Wort die schmähliche, oft sogar verzweifelte Einwilligung des arbeitenden Menschen in die Zerstörung seiner eigenen Würde.

4. Im Inneren der europäischen Demokratien gibt es den unübersehbaren Bruch zwischen denen, die Arbeit haben und sie mit allen Mitteln zu behalten suchen, und denen' die keine Arbeit mehr haben, aller Voraussicht nach auch nie mehr bekommen und von den Arbeitsplatzbesitzern bekämpft werden. Die Solidarität der Arbeitnehmer ist zerrüttet. Weiteres Phänomen: Zwischen öffentlicher Funktion und privatem Sektor tut sich ein Gegensatz auf. Letztes und gravierendstes Phänomen: Der einheimische Arbeiter beginnt häufig, den eingewanderten Arbeiter zu hassen. Und die Folge ist Rassismus.

Gilles Perrault beschreibt sie so: »Dieses unübersehbare Heer der Opfer, deportiert von Afrika nach Amerika, zerfetzt in den Schützengräben eines wahnsinnigen Krieges, lebendig verbrannt vom Napalm, zu Tode gefoltert in den Kerkern der Wachhunde des Kapitals, füsiliert am Mur des Fédérés, füsiliert in Fourmies, füsiliert in Sétif, zu Hunderttausenden hingemetzelt in Indonesien, praktisch ausgerottet wie die Indianer Amerikas, massenhaft ermordet in China, zur Sicherung des freien Opiumhandels ... Sie alle haben die Fackel der Revolte des in seiner Würde gekränkten Menschen weitergereicht in die Hände der Lebenden. In die bald ermüdenden Hände jener Kinder der Dritten Welt, welche die Unterernährung, Tag für Tag, zu Zehntausenden tötet, in die abgemagerten Hände der Völker, dazu verurteilt, die Zinsen für eine Schuld zu zahlen, deren Kapital ihre Führungsmarionetten ihnen gestohlen haben, in die zitternden Hände jener immer zahlreicher werdenden Ausgegrenzten, die an den Rändern des Wohlstands vegetieren müssen [...]. Hände von einer tragischen Schwäche, und fürs erste noch unvereinigt. Aber sie können nicht anders, als sich eines Tages zu vereinen. Und an diesem Tag wird die Fackel, die sie tragen, einen Brand entfachen, der die alte Welt in Schutt und Asche legen wird.«

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Wer hat Angst vor der Roten Flut?
Entnommen aus der Rubrik "Briefe an die Leser" der Satire-Zeitschrift Titanic bezüglich des RAF-Debakels.

In letzter Zeit bezeichnet Ihr den irrsinnigen RAF-Terror mit Vorliebe als eines der blutigsten, wenn nicht das blutigste Kapitel in der Geschichte der Bundesrepublik – und habt uns damit, mal wieder, ins Unrecht gesetzt: Das blutigste Kapitel in der Geschichte der Bundesrepublik ist also gar nicht der frühzeitige gesundheitliche Totalverschleiß des unteren Drittels unserer famosen Zweidrittelgesellschaft, nicht die tödliche Abschiebepraxis der deutschen Ausländerbehörden und nicht das massenhafte Ersaufen von Zehntausenden vergeblich nach einem besseren Leben in der »Festung Europa« suchenden sog. Wirtschaftsflüchtlingen im Mittelmeer, weder die Unterstützung zahlreicher Drittwelt-Diktatoren von Pinochet bis Suharto noch das Giftgas für Saddam Hussein, auch nicht die Panzer fürs türkische Militär oder die Spitzenprodukte aus dem Hause Heckler & Koch mit mehr als 1,5 Millionen Opfern und selbstverständlich auch nicht die Hilfe für völkische Separatisten auf dem Balkan und die menschenrechtlich dringend gebotene Bombardierung der Bevölkerungen Serbiens und Afghanistans oder die logistische Unterstützung des Krieges im Irak und auf gar keinen Fall die Agent Orange-Produktion unter Leitung des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker oder die Tätigkeit des heutigen Staatsoberhaupts Horst Köhler als Direktor des Internationalen Währungsfonds, welche möglicherweise mehr Menschenleben gefordert hat als alle Anschläge der RAF zusammengenommen, wofür in seinem Falle allerdings auch niemand ein Wort der Entschuldigung hören will.

So kann man sich täuschen!

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Was Einstein über den Sozialismus sagte.
Das folgende Essay "Why Socialism" gehört sicherlich zu den unbekanntesten Arbeiten Albert Einsteins. Die Tatsache, dass sich Einstein einen Großteil seines Lebens als Sozialist verstand und gegen Faschismus und Krieg engagierte, wird von bürgerlichen Medien gerne verschwiegen. "Why Socialism" wurde erstmals 1949 in der ersten Ausgabe der Zeitschrift 'Monthly Review' veröffentlicht.

Ist es nun ratsam für jemanden, der kein Experte auf dem Gebiet ökonomischer und sozialer Fragen ist, sich zum Wesen des Sozialismus zu äußern? Ich denke aus einer Reihe von Gründen, daß dies der Fall ist.

Laßt uns die Frage vorerst vom Standpunkt der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus betrachten. Es mag so erscheinen, als ob es keine wesentlichen methodologischen Unterschiede zwischen Astronomie und Ökonomie gäbe: Wissenschaftler beider Gebiete versuchen allgemein akzeptable Gesetze für eine begrenzte Anzahl von Phänomenen zu entdecken um deren Zusammenhänge so verständlich wie möglich zu machen. Aber in Wirklichkeit existieren solche methodologischen Unterschiede. Die Entdeckung von allgemeingültigen Gesetzen im Bereich der Ökonomie wird dadurch erschwert, daß die zu betrachtenden ökonomischen Phänomene von vielen Faktoren beeinflußt sind, die einzeln schwer zu beurteilen sind. Außerdem waren die Erfahrungen, die sich seit Beginn der sogenannten "zivilisierten Periode" der menschlichen Geschichte angesammelt haben - wie wir wissen - stark von Faktoren beeinflußt und beschränkt, die keineswegs ausschließlich ökonomischer Natur sind. Zum Beispiel verdanken die größeren Staatengebilde ihre Existenz den Eroberungen. Die erobernden Völker machten sich selbst - gesetzlich und wirtschaftlich gesehen - zur privilegierten Klasse des eroberten Landes. Sie sicherten sich das Monopol an Landbesitz und ernannten Priester aus ihren eigenen Reihen. Diese Priester - die die Macht über das Erziehungswesen hatten - institutionalisierten die Teilung der Gesellschaft in Klassen und schufen ein Wertesystem, das die Menschen von da an - in einem hohen Grad unbewußt - in ihrem sozialen Verhalten leitete.

Aber auch wenn diese historische Tradition eigentlich der Vergangenheit angehört, haben wir das, was Thorstein Veblen die ,,räuberische Phase" der menschlichen Entwicklung nannte, nirgends wirklich überwunden. Die wahrnehmbaren ökonomischen Fakten gehören zu eben dieser Phase und selbst diejenigen Gesetze, die wir aus ihnen ableiten können sind nicht auf andere Phasen anwendbar. Da es das reale Ziel des Sozialismus ist, genau über diese räuberische Phase menschlicher Entwicklung zu siegen und diese zu überwinden, kann die heutige wissenschaftliche Ökonomie wenig Licht auf die zukünftige sozialistische Gesellschaft werfen.

Zum Zweiten ist der Sozialismus auf ein sozial-ethisches Ziel ausgerichtet. Wissenschaft kann jedoch keine Ziele schaffen, geschweige denn sie den Menschen einflößen:
Wissenschaft kann bestenfalls die Mittel liefern, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden können.

Aber die Ziele selbst werden von Persönlichkeiten mit hochgesteckten ethischen Idealen erdacht und - wenn diese Ziele nicht totgeboren, sondern vital und kraftvoll sind - werden sie von den vielen Menschen übernommen und weitergetragen, die teilweise unbewußt die langsame Weiterentwicklung der Gesellschaft bestimmen.

Aus diesen Gründen sollten wir auf der Hut sein und keine Wissenschaft und wissenschaftliche Methode überschätzen, wenn es um eine Frage der Probleme der Menschheit geht; und wir sollten nicht davon ausgehen, daß Experten die einzigen sind, die ein Recht darauf haben, sich zu Fragen zu äußern, die die Organisation der Gesellschaft betreffen.

Unzählige Stimmen behaupten seit geraumer Zeit, daß nun, da die menschliche Gesellschaft eine Krise durchmache, ihre Stabilität ernsthaft erschüttert worden sei. Es ist charakteristisch für solch eine Situation, daß sich Individuen gleichgültig oder sogar feindlich gegenüber der kleinen oder großen Gruppe verhalten, zu der sie gehören. Hierzu eine persönliche Erfahrung: Ich erörterte vor kurzem mit einem intelligenten und freundlich gesonnenen Mann die Bedrohung durch einen erneuten Krieg, der meiner Meinung nach die Existenz der Menschheit ernsthaft gefährden würde, und ich bemerkte, daß nur eine supranationale Organisation Schutz vor dieser Gefahr gewährleisten könnte. Daraufhin sagte mein Besucher - sehr ruhig und gelassen -: "Warum bist du so vehement gegen das Verschwinden der Menschheit?"

Ich bin mir sicher, daß ein Jahrhundert früher niemand so leicht eine derartige Bemerkung gemacht hätte. Es ist die Aussage eines Mannes, der sich vergebens bemüht hat, sein inneres Gleichgewicht zu finden und der mehr oder weniger die Hoffnung auf Erfolg verloren hat. Es ist der Ausdruck einer schmerzhaften Vereinsamung und Isolation, an der so viele Leute in dieser Zeit leiden. Was ist die Ursache? Gibt es einen Ausweg?

Es ist einfach, solche Fragen aufzuwerfen, viel schwieriger hingegen, sie mit Gewißheit zu beantworten. Doch das muß ich versuchen, so gut ich kann, obwohl ich mir der Tatsache bewußt bin, daß unsere Gefühle und unsere Bestrebungen oft widersprüchlich und obskur sind und daß sie nicht in einfachen Formeln ausgedrückt werden können.

Der Mensch ist gleichzeitig ein Einzel- und ein Sozialwesen. Als ein Einzelwesen versucht er, seine eigene Existenz und die derjenigen Menschen zu schützen, die ihm am nächsten sind sowie seine Bedürfnisse zu befriedigen und seine angeborenen Fähigkeiten zu entwickeln. Als ein Sozialwesen versucht er, die Anerkennung und Zuneigung seiner Mitmenschen zu gewinnen, ihre Leidenschaften zu teilen, sie in ihren Sorgen zu trösten und ihre Lebensumstände zu verbessern. Allein die Existenz dieser vielseitigen, häufig widerstreitenden Bestrebungen macht den speziellen Charakter des Menschen aus, und die jeweilige Kombination bestimmt, inwieweit ein Individuum sein inneres Gleichgewicht erreichen und damit etwas zum Wohl der Gesellschaft beitragen kann. Es ist gut vorstellbar, daß die relative Kraft dieser beiden Antriebe hauptsächlich erblich bedingt ist. Aber die Persönlichkeit wird letztlich weitestgehend von der Umgebung geformt, die ein Mensch zufällig vorfindet, durch die Gesellschaftsstruktur, in der er aufwächst, durch die Traditionen dieser Gesellschaft und dadurch, wie bestimmte Verhaltensweisen beurteilt werden. Der abstrakte Begriff ,,Gesellschaft" bedeutet für den einzelnen Menschen die Gesamtheit seiner direkten und indirekten Beziehungen zu seinen Zeitgenossen den Menschen früherer Generationen. Das Individuum allein ist in der Lage, zu denken, zu fühlen, zu kämpfen, selbständig zu arbeiten; aber es ist in seiner physischen, intellektuellen und emotionalen Existenz derart abhängig von der Gesellschaft, daß es unmöglich ist, es außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens zu betrachten. Es ist die "Gesellschaft" die den Menschen Kleidung, Wohnung, Werkzeuge, Sprache, die Formen des Denkens und die meisten Inhalte dieser Gedanken liefert, sein Leben wird durch die Arbeit möglich gemacht und durch die Leistungen der vielen Millionen Menschen früher und heute, die sich hinter dem Wörtchen "die Gesellschaft" verbergen.

Deshalb ist die Abhängigkeit des Einzelnen von der Gesellschaft ein Naturgesetz, das - wie im Falle von Ameisen und Bienen - offenbar nicht einfach so abgeschafft werden kann. Doch während der gesamte Lebensprozeß von Ameisen und Bienen bis hin zum kleinsten Detail an starre, erbliche Instinkte gebunden ist, sind die sozialen Muster und die engen sozialen Verbindungen der Menschen sehr empfänglich für verschiedenste Veränderungen. Das Gedächtnis, die Kapazität, Neues zu versuchen und die Möglichkeit, mündlich zu kommunizieren haben für den Menschen Entwicklungen möglich gemacht, die nicht von biologischen Gegebenheiten diktiert wurden. Solche Entwicklungen manifestieren sich in Traditionen, Institutionen und Organisationen, in der Literatur, in wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, in künstlerischen Arbeiten. Das erklärt, weshalb der Mensch in einem gewissen Sinne sein Leben selbst beeinflussen kann und daß in diesem Prozeß bewußtes Denken und Wollen eine Rolle spielt.

Der Mensch erwirbt mit der Geburt durch Vererbung eine biologische Grundlage, die wir als fest und unabänderlich betrachten müssen. Dies schließt die natürlichen Triebe ein, die für die menschliche Spezies charakteristisch sind. Darüber hinaus erwirbt er während seines Lebens eine kulturelle Grundlage, die er von der Gesellschaft durch Kommunikation und durch viele andere Arten von Einflüssen übernimmt. Es ist diese kulturelle Grundlage, die im Lauf der Zeit Änderungen unterworfen ist, und die zu einem großen Teil die Beziehungen zwischen dem Individuum und der Gesellschaft bestimmt. Die moderne Anthropologie hat uns durch vergleichende Untersuchungen der sogenannten "primitiven Kulturen" gelehrt, daß das soziale Verhaften von Menschen sehr unterschiedlich sein kann und jeweils abhängig ist von den vorherrschenden kulturellen Mustern und dem in der Gesellschaft vorherrschenden Organisationstyp. Auf diese Tatsache können diejenigen bauen, die das Los der Menschen verbessern wollen: Menschen werden nicht durch ihre biologischen Konstitution dazu verdammt, einander zu vernichten oder auf Gedeih und Verderb einem schrecklichen, selbst auferlegten Schicksal zu erliegen.

Wenn wir uns fragen, wie die Gesellschaftsstruktur und die kulturelle Einstellung des Menschen geändert werden soll, um das menschliche Leben so befriedigend wie möglich zu machen, sollten wir uns immer bewußt sein, daß es bestimmte Bedingungen gibt, die wir unmöglich verändern können. Wie bereits erwähnt, sieht die biologische Natur des Menschen in der Praxis keine Änderung vor. Des weiteren haben technologische und demographische Entwicklungen der letzten Jahrhunderte Bedingungen geschaffen, die bleibend sind. Bei einer relativ hohen Bevölkerungsdichte und mit Blick auf die Waren, die für ihre Existenz unentbehrlich sind, sind eine extreme Arbeitsteilung und ein hoch zentralisierter Produktionsapparat unbedingt notwendig. Die Zeiten, in denen Individuen oder relativ kleine Gruppen völlig autark sein konnten - und die zurückblickend so idyllisch erscheinen - sind unwiderruflich vorbei. Es ist nur eine leichte Übertreibung, zu behaupten, daß die Menschheit jetzt sogar eine weltweite Gemeinschaft in Bezug auf Produktion und Verbrauch bildet.

An diesem Punkt angelangt kann ich kurz aufzeigen, was für mich das Wesen der Krise unserer Zeit ausmacht. Es betrifft die Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft. Der Einzelne ist sich seiner Abhängigkeit von der Gesellschaft bewußter als je zuvor. Aber er erfährt diese Abhängigkeit nicht als etwas Positives, Organisches, als Schutzgewalt, sondern eher als eine Bedrohung seiner naturgegebenen Rechte, oder sogar seiner ökonomischen Existenz. Außerdem ist seine Stellung in der Gesellschaft so, daß die egoistischen Triebe ständig hervorgehoben, während die sozialen Triebe, die er von Natur aus hat, schwächer werden und immer mehr verkümmern. Alle Menschen leiden unter diesem Prozeß der Verschlechterung - ganz gleich welche Stellung sie in der Gesellschaft innehaben. Als unwissentlich Gefangene ihrer eigenen Ichbezogenheit fühlen sie sich unsicher, einsam und des ursprünglichen, einfachen und schlichten Genusses des Lebens beraubt. Der Mensch kann den Sinn seines kurzen und bedrohten Lebens nur innerhalb der Gesellschaft finden.

Die ökonomische Anarchie der kapitalistischen Gesellschaft heute ist meiner Meinung nach die eigentliche Ursache des Übels. Wir sehen vor uns eine riesige Gemeinschaft von Erzeugern, deren Mitglieder unaufhörlich bestrebt sind, einander die Früchte ihrer kollektiven Arbeit zu entziehen, - nicht mit Gewalt, aber in getreuer Einhaltung der gesetzlich feststehenden Regeln. In dieser Hinsicht ist es wichtig, zu realisieren, daß die Produktionsmittel - d.h. die ganze produktive Kapazität, die für das Produzieren von Verbrauchsgütern wie auch zusätzlichen lnvestitionsgütern erforderlich ist, - gesetzlich gesehen im privaten Besitz von Individuen sein können und zum größten Teil ist das auch so.

Um es einfacher zu machen werde ich im folgenden all jene als "Arbeiter" bezeichnen, die kein Eigentum an Produktionsmitteln besitzen - auch wenn dies nicht der üblichen Verwendung des Ausdrucks entspricht. Der Eigentümer der Produktionsmittel ist in einer Position, in der er die Arbeitskraft des Arbeiters kaufen kann. Mit den Produktionsmitteln produziert der Arbeiter neue Waren, die ins Eigentum des Kapitalisten übergehen. Wesentlich in diesem Prozeß ist die Relation zwischen dem, was der Arbeiter verdient und dem, was ihm dafür bezahlt wird - beides gemessen am wirklichen Wert. Dadurch daß der Arbeitsvertrag ,,offen" ist, wird das was der Arbeiter erhält nicht vom wirklichen Wert der produzierten Waren bestimmt sondern durch seinen Minimalbedarf und durch die Erfordernisse des Kapitalisten im Zusammenhang mit der Zahl der Arbeiter, die miteinander um die Arbeitsplätze konkurrieren. Es ist wichtig, zu verstehen, daß sogar in der [ökonomischen] Theorie die Bezahlung des Arbeiters nicht vom Wert seines Produkts bestimmt wird.

Privates Kapital tendiert dazu, in wenigen Händen konzentriert zu werden - teils aufgrund der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten und teils, weil die technologische Entwicklung und die wachsende Arbeitsteilung die Entstehung von größeren Einheiten auf Kosten der kleineren vorantreiben. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist eine Oligarchie von privatem Kapital, dessen enorme Kraft nicht einmal von einer demokratisch organisierten politischen Gesellschaft überprüft werden kann. Dies ist so, da die Mitglieder der gesetzgebenden Organe von politischen Parteien ausgewählt sind, die im Wesentlichen von Privatkapitalisten finanziert oder anderweitig beeinflußt werden und in der Praxis die Wähler von der Legislative trennen. Die Folge ist, daß die "Volksvertreter" die Interessen der unterprivilegierten Schicht der Bevölkerung nicht ausreichend schützen. Außerdem kontrollieren unter den vorhandenen Bedingungen die Privatkapitalisten zwangsläufig direkt oder indirekt die Hauptinformationsquellen (Presse, Radio, Bildung). Es ist deshalb äußerst schwierig und, für den einzelnen Bürger in den meisten Fällen fast unmöglich, objektive Schlüsse zu ziehen und in intelligenter Weise Gebrauch von seinen politischen Rechten zu machen.

Die Situation in einem Wirtschaftssystem, das auf dem Privateigentum an Kapital basiert, wird durch zwei Hauptprinzipien charakterisiert: erstens sind die Produktionsmittel (das Kapital) in privatem Besitz, und die Eigentümer verfügen darüber, wie es ihnen paßt; zweitens ist der Arbeitsvertrag offen. Natürlich gibt es keine rein kapitalistische Gesellschaft. Vor allem sollte beachtet werden, daß es den Arbeitern durch lange und bittere politische Kämpfe gelungen ist, bestimmten Kategorien von Arbeitern, eine ein wenig verbesserte Form des "nichtorganisierten Arbeitervertrags" zu sichern. Aber als Ganzes genommen unterscheidet sich die heutige Wirtschaft nicht sehr von einem "reinem" Kapitalismus.

Die Produktion ist für den Profit da - nicht für den Bedarf. Es gibt keine Vorsorge dafür, daß all jene, die fähig und bereit sind, zu arbeiten, immer Arbeit finden können. Es gibt fast immer ein "Heer von Arbeitslosen". Der Arbeiter lebt dauernd in der Angst, seinen Job zu verlieren. Da arbeitslose und schlecht bezahlte Arbeiter keinen profitablen Markt darstellen, ist die Warenproduktion beschränkt und große Not ist die Folge. Technologischer Fortschritt führt häufig zu mehr Arbeitslosigkeit statt zu einem Milderung der Last der Arbeit für alle. Das Gewinnmotiv ist in Verbindung mit der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten für Instabilität in der Akkumulation und Verwendung des Kapitals verantwortlich und dies bedeutet zunehmende Depressionen. Unbegrenzte Konkurrenz führt zu einer riesigen Verschwendung von Arbeit und zu dieser Lähmung des sozialen Bewußtseins von Individuen, die ich zuvor erwähnt habe.

Diese Lähmung der Einzelnen halte ich für das größte Übel des Kapitalismus. Unser ganzes Bildungssystem leidet darunter. Dem Studenten wird ein übertriebenes Konkurrenzstreben eingetrichtert und er wird dazu ausgebildet, raffgierigen Erfolg als Vorbereitung für seine zukünftige Karriere anzusehen.

Ich bin davon überzeugt, daß es nur einen Weg gibt, dieses Übel loszuwerden, nämlich den, ein sozialistisches Wirtschaftssystem zu etablieren, begleitet von einem Bildungssystem, das sich an sozialen Zielsetzungen orientiert. In solch einer Wirtschaft gehören die Produktionsmittel der Gesellschaft selbst und ihr Gebrauch wird geplant. Eine Planwirtschaft, die die Produktion auf den Bedarf der Gemeinschaft einstellt, würde die durchzuführende Arbeit unter all denjenigen verteilen, die in der Lage sind zu arbeiten und sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren. Die Bildung hätte zum Ziel, daß die Individuen zusätzlich zur Förderung ihrer eigenen angeborenen Fähigkeiten einen Verantwortungssinn für die Mitmenschen entwickeln anstelle der Verherrlichung von Macht und Erfolg in unserer gegenwärtigen Gesellschaft.

Dennoch ist es notwendig festzuhalten, daß eine Planwirtschaft noch kein Sozialismus ist. Eine Planwirtschaft als solche kann mit der totalen Versklavung des Individuums einhergehen. Sozialismus erfordert die Lösung einiger äußerst schwieriger sozio-politischer Probleme: Wie ist es angesichts weitreichender Zentralisierung politischer und ökonomischer Kräfte möglich, eine Bürokratie daran zu hindern, allmächtig und maßlos zu werden? Wie können die Rechte des Einzelnen geschützt und dadurch ein demokratisches Gegengewicht zur Bürokratie gesichert werden?

In unserem Zeitalter des Wandels ist Klarheit über die Ziele und Probleme des Sozialismus von größter Bedeutung. Da unter den gegenwärtigen Umständen die offene und ungehinderte Diskussion dieser Probleme einem allgegenwärtigen Tabu unterliegt halte ich die Gründung dieser Zeitschrift für ausgesprochen wichtig.

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Konzernmacht und ihre Auswirkungen.
Zuckerlimonade und Frankensteinnahrung. Coca Cola, Mc Donald's, Globalisierung, Krieg, sowie die Lage der Frauen in Zeiten des Empire. Von Ellen Diederich.

Thomas Friedman, Kolumnist der New York Times stellte fest, dass für eine funktionierende Globalisierung die USA als unüberwindliche Macht handeln müssten. Die unsichtbare Hand des Marktes brauche die sichtbare Faust der amerikanischen Streitkräfte. Mac Donalds mit seinem Fast Food könne nicht ohne die Kampfjets von McDonnellDouglas expandieren. (zit. Nach Jean Ziegler, in: ND., 16.4.03, S. 3)

"Die USA als Weltmacht"

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika erheben sowohl militärisch und ökonomisch den weltweiten Führungsanspruch.
In den USA ist die größte Konzentration der ökonomischen und militärischen Macht. Das heißt aber nicht, dass die Finanz- und Herrschaftsstrukturen ausschließlich in den USA zu finden sind. Das globale System der Dominanz ist überall auf der Welt. "Das Empire ist kein amerikanisches System, sondern schlicht kapitalistisch. Kein Staat kann das Empire führen. Es ist eine neue Form der Souveränität - das Netzwerk vieler Mächtiger. Das Empire regiert die Welt. Es ist global und dezentral, es kennt kein Außen mehr, es unterwirft alles und jeden." Sagen Toni Negri und Michael Hardt in ihrem Buch: Empire, London 2000

Was ist das Empire?
Die US-Regierung, die internationalen Institutionen, die G7 Staaten, Weltbank, IWF, WTO, OECD, NATO, die zusammen mit den Finanzakteuren der Wall Street und den multinationalen Konzernen die weltweiten Prozesse der sogenannten Liberalisierung und Privatisierung steuern. Verschiedene Institutionen steuern und kontrollieren diese Prozesse. Im militärischen Bereich sind es vor allem: Die US-amerikanischen Kriegskräfte, die NATO, die in den Entscheidungsprozessen immer bedeutungsloser wird. Im zivilen Bereich sind es vor allem: Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die WTO, die Welthandelsorganisation.

Symbole dieses ökonomischen Imperialismus sind Coca Cola und Mc Donald's, die Produzenten von Zuckerlimonade und Frankenfood. No Frankenfood war einer der Slogans in Seattle. Frankenfood bedeutet: Frankensteinfood, also Frankensteinnahrung, genetisch manipulierter und industriell hergestellter Fraß. Coca Cola und Mac Donald's tragen weltweit zu einer absoluten Verschlechterung der Gesundheit bei. Sie sind die großen Verbreiter von Frankenfood.

Was wir essen, ist heute eine politische Aktion.

Coca-Cola und Mac Donald's sind die globalen Markenartikel schlechthin. Coca-Cola ist nach okay das bekannteste Wort der Erde. Jeden Tag fließen mehr als eine Milliarde Coca-Cola-Getränke die Kehlen hinab. Jährlich gibt Coca-Cola über eine Milliarde US-Dollar für Werbung aus.

Coca Cola und Mc Donald's zerstören Wasserreservoire, Anbauflächen der Armen und die Gesundheit von Millionen Menschen in den Industrieländern.

Mc Donald's ist der Traum des American Way of Life - u.a. in der Karriere des Firmengründers Ray Kroc, der aus armen Verhältnissen stammend, zum Herrscher eines Wirtschaftsimperiums wurde. "Mc Donald's ist eine moralisch völlig korrumpierte Organisation, die sich legal im System entwickelt, errichtet mit schäbigen Geschäftspraktiken" Time-Magazin, USA.

Alle 4 Stunden wird weltweit ein neuer Mc Donald's eröffnet. Täglich werden in etwa 35.000 Filialen um die 45 Millionen Menschen abgefüttert. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, Gewerkschaftliche Organisierung wird unterbunden. In Kolumbien sind mehrere Gewerkschafter, die bei Coca Cola arbeiteten, ermordet worden. Öffentlich wurde gedroht, dass weitere KollegInnen ermordet würden, sollten sie sich gewerkschaftlich organisieren. Von dort ging die "Boykott Coca Cola Kampagne" aus. Auch hier in der BRD haben sich eine Reihe von Kneipen dem Boykott angeschlossen. In Wuppertal hat jetzt Coca Cola über den Bierverlag den Kneipen 5.000 ? angeboten, wenn sie Coca Cola wieder aufnehmen.

Regenwald wird für die Rinder der reichen Welt abgeholzt, in Brasilien und Costa Rica sind große Waldgebiete gerodet worden, Genmanipuliertes Soja wird für das Viehfutter der Satten angebaut. In Brasilien ist bereits 1/5 der Ackerfläche so besetzt. Das Land fehlt für den Anbau von Lebensmitteln für die Menschen. Ein Drittel der Weltgetreideproduk-tion landet in den Mägen der Rinder. 1.3 Milliarden Rinder werden gemästet, genau so viele, nämlich auch 1.3 Milliarden Menschen leiden an Hunger

Krankheiten, die längst als überwunden galten, sind wieder im Kommen. Die Vitaminmangel-krankheit Skorbut ist bei den Menschen, die sich regelmäßig von Fast Food ernähren, auf dem Vormarsch. Die Produkte von Mc Donald's enthalten Geschmacksverstärker, die in ihrer Kombination das künstliche Bedürfnis nach mehr Essen verursachen. Fettleibigkeit und ernsthafte Gesundheitsprobleme sind die Folge.

Mc Donald's kauft Werbezeit vor allem in gewalttätigen Kinderserien mit hohen Einschalt-quoten. In den USA, wo die Bildung bereits viel weiter privatisiert ist, liefert Mc Donald's Materialien für den Unterricht in den Fächern: Umwelt, Wirtschaftskunde und Ernährung. Der Clown Ronald Mc Donald geht in den USA, inzwischen aber auch in Deutschland in die Kindergärten. Mit Programmen wie "Umweltschau, Verkehrserziehung, Sicherheit im Haushalt" werden die Kleinsten über die Mc Donald's Welt informiert. Besonders beliebt sind die Geburtstagsparties.

Mc Donald's und Gesundheit
"Ich habe mich oft gefragt, woran das liegt, dass die Kunden so häufig aggressiv waren. Immer wieder warfen Jugendliche aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung, einem die Pampe vor die Füße, kneteten den Matsch aus Plastikbehältern irgendwo hinein, traten halb aufgefressene Portionen auf dem Boden unter die Bänke, und wenn ich mich zuweilen umsah, wurden mir Aschenbecher hinterrücks nachgepfeffert. Vielleicht lag das am Essen, das eigentlich nur als Fraß zu bezeichnen ist!" Günther Wallraff in Ganz unten

Coca-Cola und Gesundheit
In jeder 0.33 l Flasche Coca-Cola sind zwölf Stück Würfelzucker.
Die Zusammensetzung besteht aus: Wasser, Zucker, Kohlendioxyd, Zuckerkulör, Orthophosphorsäure, Zitronensäure, Koffein, Theobromin, Aromamix aus Colasamen, Limetten-, Zitronenschalen-, Kakao-, Kaffe-, Mate-, Zitwer-Destillat, Johannisbrot-, Mandarinenblätter-, Bittere Orangen-, Ingwer-, Holunderblüten-, Macisblüten-, Kalmus-Tinktur, Zimt und Vanille-Extrakt, sowie aus verschiedenen ätherischen Ölen.

Bei ständigem Konsum sind nachgewiesen: Zahn-, Leberschäden, Knochenbrüche. Trinken Mäuse statt Wasser Coca-Cola, so lassen sich bereits nach vier Wochen Schäden im Erbgut der Leberzellen nachweisen. DNA Addukte gelten als entscheidender Schritt bei der Entstehung von Krebs und sie werden als Ursachen von Herz-Kreislauf-Krankheiten diskutiert.

Durch die Verbindung von Coca-Cola-Dosen und dem Inhaltsstoff Orthophosphorsäure entstehen Auswirkungen auf die Knochengesundheit. Diese Säure ist sehr aggressiv, sie löst Aluminiummengen heraus. Alzheimer PatientInnen haben besonders hohe Aluminium-gehalte im Gehirn.

Coca Cola, Privatisierung und Aneignung von Wasser.
"Ein weiteres Beispiel über die Auswirkungen der Privatisierung von Wasser ist ein Dorf in Südindien, in Kerala. Der Staat Kerala ist einer der wasserreichsten Staaten auf der Welt; es herrscht nie Wasserknappheit. Aber vor zwei Jahren kam der Coca-Cola-Konzern dorthin, und durch einen geheimen Deal mit den regionalen Politikern haben sie begonnen, das Grundwasser anzuzapfen, in Flaschen zu füllen und unter dem Markennamen Kinley zu verkaufen: bis zu 1.5 Millionen Liter Wasser täglich. Ich nenne das Wasserdiebstahl, weil sie die Natur niemals um Erlaubnis gebeten haben. .. Innerhalb von nicht einmal begann der Grundwasserspiegel zu sinken. .. Jetzt gibt es in einem Radius von 2 Meilen keinen Tropfen Wasser mehr. Jeder Brunnen ist trocken, jede Zisterne ist leer, jeder Fluss ist ausgetrocknet." ... Vandana Shiva, Rede beim GATS Kongress Köln, Mai 2003

Eine Zusatzinformation, wie weit der Prozess der Privatisierung von Wasser geht: In Indien, wo die Wasserversorgung des allergrößten Teils der Bevölkerung nicht durch ein ausgebautes Wasserleitungssystem der Kommunen, sondern weitgehend direkt durch die Flüsse gedeckt wird, ist der erste Fluss, der Sheonath in der Provinz Chattisgarh privatisiert worden. Polizei auf Motorrädern fährt am Fluss auf und ab, um zu kontrollieren, dass ja niemand einen Eimer Wasser aus dem Fluss holt. 1 km von den Flussufern entfernt dürfen die Brunnen nicht mehr benutzt werden. In Bolivien durften nach der Privatisierung ebenfalls die Brunnen nicht mehr genutzt, es sollte nicht mal mehr Regenwasser gesammelt werden dürfen, weil alles Wasser privat angeeignet werden sollte.

Es ist kein Wunder, dass besonders Frauen und Mädchen sich im Widerstand organisieren. Gibt es nicht genügend Wasser, so sind Frauen und Mädchen besonders betroffen. Sie müssen viel Zeit aufwenden, um Wasser zu holen. Schockierende Bilder begleiten diesen Fakt: Frauen, die bis zu 12 Stunden am Tag aufbringen müssen, Wasser zu holen. "Weil es weniger Wasser gibt, gibt es auch weniger Grünfutter und damit eine geringere Produktion von Milch wie Kuhfladen, die man als Brennstoff und Dünger verwendet. Weniger Kuhfladen bedeuten geringere landwirtschaftliche Erträge. Geringere Erträge beeinträchtigen die Qualität der Nahrung und die Ernährung der Frauen. Es besteht ein Teufelskreis aus Wasserproblemen und Umweltzerstörung, der die Gesundheit der Frauen beeinträchtigt. ... Fehlender Zugang zu sauberem Wasser in ausreichenden Mengen und zu sanitären Einrichtungen trägt zu Krankheiten bei. .. Die Folge ist, dass insbesondere Frauen und Mädchen sich um kranken Angehörige kümmern müssen. Die Folgen wiederum sind : Unregelmäßiger Schulbesuch und schlechterer Zugang zu Bildung. .. Mit der Privatisierung der Versorgung nehmen die Probleme zu." Miloon Kothari 2- Die Privatisierung der Menschenrechte, in: Social watch Deutschland, Report 2003, S. 32/33

Coca Cola und Krieg

Der 2. Weltkrieg war der Glücksfall für Coca-Cola. Hier begann der Siegeszug der braunen Brause. Die amerikanischen Soldaten tranken mehr als 5 Milliarden Flaschen Coca-Cola in diesem Krieg. Sie waren in allen Teilen der Welt stationiert. Die Brause folgte den Soldaten. Einer der Soldaten, Colonel Robert L. Scott, stationiert bei den Flying Tigers in China, schrieb: "Ich weiß nicht genau, was Demokratie bedeutet, aber bei unseren Gesprächen in China stellte sich heraus, daß wir für dieses amerikanische Mädchen (die Coca-Cola-Flasche) kämpften. Sie bedeutet für uns Amerika, Demokratie, Coca-Cola, Hamburger, saubere Betten und amerikanischen Lebensstil." Für Gott, Vaterland und Coca Cola, die unautorisierte Geschichte der Coca Cola Company

Sieben in Algerien stationierte amerikanische Soldaten schrieben einen Brief an Coca-Cola: "Wenn uns irgendjemand fragt, wofür wir eigentlich kämpfen, sagt bestimmt die Hälfte von uns, für das Recht, wieder Coca Cola kaufen zu können." Ebda.

Im jetzigen Irak-Krieg versorgte Coca-Cola alle US-amerikanischen Soldaten mit Sonnenbrillen. (Informationen zu Coca Cola und Mc Donald's: Siegfried Pater, Zum Beispiel Mc Donalds, derselbe: Zuckerwasser, Vom Coca Cola Imperium, Für Gott, Vaterland und Coca Cola, die unautorisierte Geschichte der Coca-Cola Company)

Coca Cola und Mac Donald's sind die Protagonisten der Globalisierung. "Die globalen Konzerne wollen die Kommerzialisierung unserer Ernten, unseres Trinkwassers, unserer Atemluft und unserer Träume durchsetzen. Die Länder des Nordens, die die sogenannte zivilisierte Welt bilden, horten Massenvernichtungswaffen und führen ihre neuen Kriege im Rahmen des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus. "Empire bedeutet: Die obszöne Akkumulation von Macht, die permanent wachsende Distanz zwischen den Entscheidungsträgern und denen, die die Folgen dieser Entscheidung tragen müssen." Arundhati Roy Rede in Porto Alegre in Le Monde diplomatique März 2003, S. 15

Einige dieser Folgen sind:

Kinderarbeit:
250 Millionen Kinder weltweit sind zur Arbeit gezwungen, 12 Millionen schuften für die Herstellung billiger Exportware, werden sexuell ausgebeutet und versklavt.

Versklavung:
Die Gesamtzahl der versklavten Menschen heute wird auf 100 Millionen Menschen geschätzt. Zur Hochzeit der Sklavenhaltergesellschaften in den letzten drei Jahrhunderten gab es nie mehr als 12 Millionen versklavte Menschen.

Wirtschaftsmächte:
Unter den hundert größten Wirtschaftsmächten der Welt sind heute 48 Länder und 52 Konzerne. Diese 52 Konzerne haben soviel Umsatz, dass sie den vieler Länder überschreiten. Unter diesen 52 sind Daimler/Chrysler, Volkswagen und die Deutsche Bank.

Konzerne:
Der reichste Konzern der Welt ist General Motors, die zehn ersten wichtigsten Marken sind US-Konzerne, angeführt von Coca Cola, Microsoft, Disney und Mac Donalds.

Armut und Reichtum:
Jedes Jahr fallen 200 Millionen Menschen mehr unter die absolute Armutsgrenze, haben also weniger als einen Dollar am Tag zur Verfügung. In Nigeria leben über 40% in Ruanda, Papua Neu Guinea und dem Irak mehr als 30% der Bevölkerung unterhalb dieser Armutsgrenze. 50.000 Menschen sterben täglich an Unterernährung, darunter sind 35.000 bis 40.000 Kinder. 53.7% der Weltbevölkerung, alle Menschen in China, Südasien und den Ländern Subsahara zusammen verfügen über 6.1% des Welteinkommens.
15% der Weltbevölkerung, alle reichen Länder, verfügen über 78.3% des Welteinkommens. (Chossudowsky, a.a.O. S. 45)
Die Auslandsschulden der Länder der 2/3 Welt haben sich seit 1980 vervierfacht. Sie stiegen seit 1980 von 658 Milliarden Dollar auf 2465 Milliarden Dollar im Jahre 1998 und dürften heute bei 3000 Milliarden Dollar liegen.
475 Milliardäre der Welt besitzen genau soviel wie die ärmeren 50% der Menschheit. In den USA besitzen 1% der Haushalte 40% des nationalen Gesamtvermögens.
Die Reallöhne sind weltweit in den letzten 25 Jahren um 10 % gesunken.

Kulturelle Hegemonie:
Die kulturelle Hegemonie soll durchgesetzt werden. Dieser Begriff ist von Antonio Gramsci, bedeutet: " WENN MAN DIE KÖPFE DER MENSCHEN BESETZEN KANN, WERDEN IHRE HERZEN UND HÄNDE FOLGEN" Susan George, Kölner Rundbrief gegen Konzernherrschaft, Nr. 1, S. 5.
Sie ist soweit fortgeschritten, dass wir überall auf der Welt die gleichen in US-amerikanischen Filmstudios entstandenen Filme sehen, die Seifenoper Dallas flimmerte in nahezu allen Ländern der Erde in die Wohnungen, Disneyland ist ein Weltreich, Popstars werden zu globalen Autoritätsfiguren. "Satelliten, Kabel, Walkmans, Videorecorder, CD's und andere Wunderwerke der Elektronik sind die Arterien, durch die die modernen Unterhaltungskonzerne die Weltkultur gleichmachen."
Barnet/Cavanagh, Die globale Homogenisierung der Kultur, Schwarzbuch Globalisierung, S. 253

Saatgut:
"Seit Tausenden von Jahren haben Bauern nach der Ernte ihr Saatgut aufgehoben, um im nächsten Jahr wieder auszusäen. Der US Konzern Monsanto hat ein Saatgut entwickelt, das sterile Nachkommen hat, sich selbst vernichtet. Dieses Saatgut nennt man Selbstmord Samen und es bedeutet, dass die Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen." Maria Mies, Globalisierung von unten, S. 91

Freihandelszonen:
In weltweit über 800 Freihandelszonen schuften Millionen Menschen, vor allem Frauen für die multinationalen Konzerne. Die Arbeitszeit beträgt zwischen 12 und 16 Stunden, die Löhne sind 1 - 4 Dollar am Tag, die Arbeitsbedingungen unbeschreiblich.

Globalisierung von oben
"Diese "Globalisierung von oben" bedeutet absolute Freiheit der multinationalen Konzerne, in allen Ländern der Welt zu tun, was sie wollen. Der Verwaltungspräsident Barnewick der Asea-Brown-Bovery-Gruppe, eines der größten Multis der Welt, definierte Globalisierung folgendermaßen:
"Ich würde Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen definieren, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und verkaufen wo sie will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen oder anderen sozialen Übereinkünften resultieren."
Zitiert nach; Maria Mies, Frauenarbeit: Der Pfeiler der Globalisierung, in: Eine andere Welt ist möglich, Dokumentation attac-Kongreß, VSA 2002, S. 108

Globalisierung und Krieg
"Unter der neuen Weltordnung bestimmen die Militärplaner des Außenministeriums, des Pentagons und der CIA die Außenpolitik der USA. Sie unterhalten auch Kontakte zu Vertretern des IWF, der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO). Die internationale Finanzbürokratie in Washington wiederum, verantwortlich für die mörderischen Wirtschaftsreformen, die sie der 2/3 Welt und den meisten Ländern des ehemaligen Ostblocks aufzwingt, pflegt enge Beziehungen zum Finanzestablishment der Wall Street." Michel Chossudowsky, Global brutal, Frankfurt 2002, S. 12
(Die Wall Street war übrigens während der Zeit, in denen die USA eine Sklavenhaltergesellschaft war, der Sklavenmarkt, die Mauer, an der die Sklaven physisch angekettet waren. Heute ist nahezu die ganze Welt an diese Mauer angekettet. E.D.)

Die Mächte hinter diesem System sind die globalen Banken und Finanzorganisationen, der militärisch-industrielle Komplex, die Öl- und Energiegiganten, die Biotech-Konzerne sowie mächtige Medien- und Kommunikationsunternehmen mit ihren gefälschten Nachrichten und offenkundigen Verzerrungen der Weltereignisse.

Zur Zeit gibt es in über 30 Ländern Kriegs- und Nachkriegssituationen.
Ich arbeite seit 42 Jahren in der internationalen Frauen- und Friedensbewegung, war in mehreren Kriegs- und Krisengebieten, habe Widerstandsaktionen und Hilfe insbesondere für vom Krieg betroffene Frauen und Kinder mit organisiert.

Bei dieser Arbeit haben wir festgestellt, dass 80 - 90% der in den heutigen Kriegen betroffenen Menschen Frauen und Kinder sind.
Die Mehrheit von Frauen und Kindern ist heute unmittelbar in Gefahr...

durch DIREKTE GEWALT,
durch WAFFENGEWALT IN KRIEGS- UND KRISENGEBIETEN,
durch STRUKTURELLE GEWALT der Ökonomie, Hunger und Umweltzerstörung,
durch STAATLICH LEGITIMIERTE GEWALT bedroht oder umgebracht zu werden.


Als Friedensarbeiterinnen sind wir keine vorgeblich objektiven Berichterstatterinnen, die aus dem sicheren Abstand der Theorie, des Geldes oder der Nachrichten über Kriege berichten. Im Verlaufe unserer Arbeit haben die Kriege jede Abstraktion für uns verloren. Dadurch, dass wir in die Kriegsgebiete gegangen sind, haben sie Namen und Gesichter bekommen.

Wie oft kamen der befürchtete Anruf oder die Email am Tag oder in der Nacht: Isabels Mann ist durch eine Autobombe im Washingtoner Exil durch den chilenischen Geheimdienst mit Unterstützung der CIA getötet worden. Anna arbeitet beim Komitee der Mütter der Verschwundenen in El Salvador. Ihre vierjährige Tochter wird nach unserer gemeinsamen Reise durch Europa, um über Salvador aufzuklären, absichtlich von einem Militär LKW angefahren und schwer verletzt. Laura vom gleichen Komitee wird nach unserer Reise von den Todesschwadronen geholt, vergewaltigt und gefoltert. Maria musste endgültig aus Tschetschenien fliehen. Das Haus von Monicas Eltern in Nordirland ist von einer Bombe getroffen worden. Carmen wurde von sechs Soldaten vergewaltigt, sie haben ihr eine Brust abgeschnitten, aus dem Militärbus auf die Straße geworfen in der Annahme, sie sei tot. Ein zufällig vorbeikommender Taxifahrer fand sie, brachte sie ins Krankenhaus, so wurde sie gerettet. Lara hat die Vergewaltigung in Bosnien nicht verkraftet, ist wie versteinert, hat sich jetzt der kroatischen Armee angeschlossen. Gloria, die von der UNO ausgezeichnete Bürgermeisterin des Friedens, wird in Kolumbien durch einen General öffentlich bedroht, ihr Leben ist gefährdet. Sumaya erzählt, dass sie in den letzten drei Monaten auf 76 Beerdigungen in Palästina war, unter den Toten viele Jugendliche, Freunde ihres Sohnes. Die Liste ist endlos lang.

Wie sind wir in unserem Teil der Erde eingebunden in diese Entwicklungen?

Wir sind eingebunden in den sogenannten Krieg gegen den Terrorismus, der in Wirklichkeit ein unverhüllter Krieg zur Aufrechterhaltung der ökonomischen Interessen eines kleinen Teiles der Menschheit ist. Deutsche SoldatInnen agieren in verschiedenen Teilen der Erde in Kriegs- und Krisengebieten.

Wir leben in einer Zeit großer Verunsicherung, hören in der Bundesrepublik jeden Tag von den Veränderungen. Es geht um die sogenannte Rentenreform, die für das Leben im Alter Unsicherheit heißt, die Beschneidung der medizinischen Versorgung, Arbeits-zeitverlängerung und -intensivierung, den Verkauf von kommunalem Eigentum an Konzerne, die zunehmende Polarisierung in Arme und Reiche. Den Riss, der durch die Gesellschaft geht, spüren wir sehr deutlich.

Veränderungen drücken sich auch in Sprache aus. Ich sehe den Missbrauch von Sprache durch diejenigen, die sich die Definitionsmacht für Begriffe nehmen und sie in ihr Gegenteil verkehren.

Außenminister Joseph Fischer definiert Krieg. Er sagt: "Krieg ist die realpolitische pazifistische Konsequenz", Krieg wird umdefiniert zum Frieden, Humanität wird in den neuen Kriegen zur Humanitären Intervention, Pazifismus ist nicht mehr Pazifismus, sondern Drückebergerei, sagt Erhard Eppler. Liberalität wird zum Neoliberalismus, Demokratie bedeutet neoliberaler Kapitalismus, Freiheit wird zu Besatzung. "Worte wie Bevollmächtigung und Friedenserhaltung jage uns einen kalten Schauer über den Rücken." A. Roy, Die Macht der Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit.Die Entwicklung der Grünen lässt sich in einem Satz von Antje Vollmer gut charakterisieren. Nach der Abstimmung zum Afghanistan Einsatz sagte sie;" Mein Ja war eigentlich ein Nein!"

Ein Staat, der soziale Gerechtigkeit für seine BürgerInnen will, sei nicht mehr zeitgemäß, wird umgewandelt in einen Staat, in den die Bestimmung der gerechten Ungleichheiten gehört, sagt die SPD. Der Begriff des demokratischen Sozialismus sei nicht mehr zeitgemäß, sagt Olaf Scholz, mit diesem Begriff lasse sich kaum noch etwas anfangen. Einer der theoretischen Vordenker der heutigen SPD, Thomas Meyer, sagt: Wir müssen uns von der antiquierten Bismarckschen Sozialgesetzgebung, die im Sozialstaatsgedanken "fortwuchert", verabschieden und die Umwandlung der Idee des demokratischen Sozialismus in eine soziale Demokratie der offen Wirtschaft vollziehen.

Soziale Gerechtigkeit ist ein durch die französische Revolution und die Arbeiterbewegung gleichsam geprägter Kampfbegriff. Ich werde ihn nicht aufgeben!

Das, was in den USA und Großbritannien bereits unter Ronald Reagan und Margret Thatcher begann, die sogenannten Liberalisierung und Privatisierung, wird jetzt auch in den anderen Ländern der EU, vor allem aber auch in den Ländern der 2/3 Welt und den Ländern des ehemaligen Ostblocks beängstigende Realität.

Was können wir tun, welches sind unsere Möglichkeiten in diese Prozesse einzugreifen? Was können wir tun?

Die wichtige Frage in diesem Kontext heißt: Wer ist berechtigt, die Regeln der Wirtschafts- und Sozialordnung aufzustellen, die weltumspannend gilt? Ein exklusiver Club der Reichen und Superreichen? Oder diejenigen, die den Millionen von Ausgeschlossenen ihre Stimme leihen?

In Porto Alegre in Brasilien trafen sich im Januar 2003, in Mumbai im Januar 2004 jeweils etwa 100.000 Menschen, die sich der konzerngesteuerten Globalisierung entgegenstellen. Hier trifft sich die Bewegung der vielen Menschen, die wieder die Bestimmung über Lebensbedingungen in die Hand nehmen, die ein Leben auf Gegenseitigkeit, Kooperation, Gleichwertigkeit, Achtung und Liebe zwischen Männern und Frauen, Kindern und Erwachsenen, Mensch und Natur und anderen Kulturen erreichen wollen.

Teil dieser Bewegung ist die Friedensbewegung. Am 15. Februar 2003 wurde eine Vision wahr. 15 - 20 Millionen Menschen weltweit gingen auf die Straße und protestierten gegen den Krieg im Irak. Von Neuseeland bis Mexiko, von San Francisco bis Madrid. Diese Bewegung ist anders als die in den achtziger Jahren. Die Fragen nach den Zusammenhängen, nach den Interessen, die diese Kriege bestimmen, sind klarer formuliert als je zuvor. So unverschleiert waren die Interessen nie zuvor.

Die New York Times unterstützt den Kriegskurs der US-Regierung. Trotzdem kam sie am 17. Februar 03 zu der bemerkenswerten Einschätzung, dass es jetzt zwei Supermächte auf der Erde gäbe: Die USA und die öffentliche Meinung der Welt. Präsident Bush finde sich nun Auge in Auge mit einer hartnäckigen Widersacherin, nämlich der weltweiten Antikriegsbewegung, wieder.

Eine handfeste Konsequenz aus dieser Erkenntnis war die Wahlniederlage der spanischen Konservativen bei den Parlamentswahlen im März 2.004. 95% der spanischen Bevölkerung war gegen den Irak Krieg. Die Regierung Aznar unterstützte den Kriegskurs der US Regierung. Die Widersacherin Öffentliche Meinung hat sie abgewählt.

Auch in den USA sammeln sich die Kriegs- und Globalisierungsgegner. Diplomaten verließen ihren Job, Abgeordnete führten scharfe Reden gegen den Krieg, 136 Städte erklärten sich zu Cities for Peace, die Move on Bewegung sammelt als Gegeninformationsmöglichkeit 1.3 Millionen Internetnutzer der Friedensbewegung, Das New York action center, der virtuelle Marsch auf Washington legte die Leitungen des Weißen Hauses lahm, die Geschäftsleute für sensible Prioritäten schalteten Anzeigen gegen den Krieg im Wall Street Journal usw., GewerkschafterInnen und Kirchenleute standen auf und beteiligten sich an vielen Aktionen.

In Italien streikten die Hafenarbeiter und weigerten sich, Schiffe mit Waffen für den Irak zu beladen. In Spanien gingen 10% der Gesamtbevölkerung auf die Straße. In Deutschland verließen Zehntausende von SchülerInnen ihre Schulen und protestierten. Hier sollten wir uns Gedanken machen, wie wir mit den jungen Leuten weiterarbeiten wollen.

Aus Kanada kommt die Initiative: Rooting out Evil, das Böse mit der Wurzel ausrotten. Diese Initiative will Waffeninspekteure in die USA schicken. Die Bush-Regierung hat 4 Kriterien aufgestellt, um gefährliche Staaten identifizieren zu können:
umfangreiche Lager an chemischen biologischen und nuklearen Waffen
Die Nichtbeachtung der Resolutionen der Vereinten Nationen
Die Weigerung, internationale Verträge zu unterzeichnen und zu respektieren
Die Übernahme der Regierenden durch illegale Mittel
Diese 4 Kriterien treffen auf die USA zu, eine Inspektion ihrer Waffenanlagen ist von daher unumgänglich. Wir sollten uns dieser Initiative anschließen.

Eine Gruppe, die international in all diesen Zusammenhängen sehr aktiv geworden ist, ist ATTAC. Attac ist die französische Abkürzung für Action pour une taxe Tobin d'aide aux citoyens" Aktion zugunsten der Tobin Steuer zur Hilfe an die Bevölkerung" oder auch: eine Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen. Attac wurde 1998 in Frankreich gegründet. Attac hat über 55.000 Mitgliedern in 30 Ländern und ist ein gewichtiger Teil der Bewegung gegen die konzerngesteuerte Globalisierung.
Die grundlegende Überzeugung ist: Die Wirtschaft muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Politik muss sich an den Leitlinien von Gerechtigkeit, Demokratie und ökologisch verantwortbarer Entwicklung ausrichten.
Attac will ein breites gesellschaftliches Bündnis als Gegenmacht zu den entfesselten Kräften der Märkte bilden. Dabei geht es nicht um ein zurück zum vermeintlich idyllischen Zustand vergangener Jahrzehnte. Alternativen sind nötig und möglich. Die Behauptung, Globalisierung in ihrer jetzt herrschenden, neoliberalen Form sei ein alternativloser Sachzwang, ist reine Ideologie. Die Vorstellung von attac hält dem entgegen: Internationale Solidarität von unten. Eine andere Welt ist möglich.

Andere Formen des Widerstandes entwickeln sich auf nationaler, regionaler und örtlicher Ebene, überall haben sich Gruppen gebildet, die sich gegen Privatisierung von öffentlichem Eigentum wehren, die Kampagne gegen das GATS hat sich weltweit vernetzt.

Die Bauernbewegung Via Campesina, die im Kontext der Globalisierungsbewegung entstanden ist, ist heute in vielen Teilen der Erde verankert und wächst stündlich. In Indien ist die Bauernbewegung sehr stark. Sie organisiert ihren Widerstand gegen die Agroökonomie der Großkonzerne nach den Prinzipien Mahatma Gandhis. Der Begriff Wahrheitsbewegung, Satyagraha, den Gandhi für seine Bewegung gegen die britische Kolonialmacht wählte, haben die Bauern für ihren Kampf übernommen. Saatgut Satyagraha nennen sie sich. Gleichzeitig ist hier die Bewegung gegen die Staudämme zur größten Massenbewegung geworden

Die Bauernbewegungen setzen sich für die Produktion gesunder Nahrung, gegen die Interessen der multinationalen Konzerne ein. In Frankreich hat die confederation paysanne mit ihrem Symbol Jose Bove und den spektakulären Aktionen gegen Mc Donalds, gegen Gensaat und anderes Zeichen gesetzt..

Eine Aktion in diesem Kontext hat mich besonders beeindruckt: Die Entwicklung der Stadt Belo Horizonte in Brasilien. Die drittgrößte Stadt Brasiliens heißt Belo Horizonte. Dort ist es in einem 1993 begonnenen Prozess gelungen, dass kein Kind und kein Mensch mehr Hunger leidet. Ein Fünftel der Kleinkinder waren unterernährt, viele Bewohner vegetierten am Rande der Armut.

In dieser Stadt gehört das Recht auf gute Nahrung heute zum Bürgerstatus. Jedes Kind in den Elendsvierteln erhält vier durch die Stadt finanzierte Mahlzeiten am Tag. Die Kalorienzufuhr hat sich verdoppelt. Alle Produkte kommen von ortsansässigen Produzenten, bzw. von Bauern aus dem Umland. Überall gibt es Volksrestaurants, wo die Leute zu einem absoluten Niedrigstpreis gutes Essen bekommen.

Die Grundentscheidung heißt:
Auch wenn der Markt Menschen ausschließt, die zu arm sind, um Konsumenten zu sein, sind sie trotzdem BürgerInnen. Die Ernährung der Menschen darf nicht durch Marktmechanismen gefährdet sein. Dass die Menschen gute Nahrungsmittel essen, auch wenn sie arm sind, hat nichts mit Wohltätigkeit oder mit Notprogrammen zur Ernährung Hungernder zu tun. zu tun. Das Konzept der Nahrungssicherheit ist das Ergebnis eines größeren Blickwinkels, der in erster Linie den Bürger und nicht den Verbraucher in den Mittelpunkt rückt.

Der Wohltätigkeitsgedanke muss fallen gelassen werden. Diese andere Konzeption ist die Befreiung aus der Wohltätigkeitsfalle. Die Pflicht der Regierung ist es, sich für eine Korrektur der Marktdefekte einzusetzen.

Es gibt eine Reihe von konkreten Umsetzungsschritten:
Inzwischen gibt es an 25 Verkaufsstätten Bauern, die ihre guten Produkte dort für die Hälfte des normalen Preises verkaufen. Die Händler fahren dazu noch jedes Wochenende mit Obst und Gemüse in die armen Stadtviertel und verkaufen dort. Diese Bauern und Händler erhalten Land und Standorte für den Verkauf zu ganz geringen Preisen. Außerdem bekommen sie Abnahmegarantien. Durch die Aktion "Grüner Korb" sind 36 Biobauern direkt mit Krankenhäusern, Restaurants usw. vernetzt. Im Zusammenhang mit der städtischen Umweltbehörde und einem gemeinnützigen Verein sind 4 Ökozentren errichtet worden. Sie züchten Saatgut und Setzlinge für städtische Projekte:
Dutzende von öffentlichen Grünanlagen, vierzig Schulgärten und informieren über umweltfreundliche Anbaumethoden.
Es gibt Antiwerbekampagnen - viele Leute kommen vom Land und waren gewohnt, Gemüse und Obst zu essen. Durch die Werbung sind sie auf ungesunde Nahrung umgestiegen. Dem arbeiten die Zentren entgegen.

Wir sind dabei zu überlegen, wie man das Konzept von Belo Horizonte auf uns übertragen kann. Welches sind bei uns die Rechte, die wir haben wollen? Statt der Tafel, wo die Armen von den Abfällen leben, das Recht auf gesunde Ernährung für alle, das Recht auf Gesundheitsversorgung, auf menschenwürdigen Wohnraum, auf Arbeit, von er die Menschen leben können.

Zusammenschließen ist notwendiger denn je. Bei den Montagsdemonstrationen und bei anderen Initiativen und Bewegungen. Das wird nicht von heute auf morgen erledigt sein.

Wir brauchen einen langen Atem, kluge und warmherzige Menschen. Eine von ihnen ist die indische Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy. In ihrer Rede in Porto Alegre in diesem Jahr antwortete sie auf die Frage, was wir tun können:

"Wir können unser Gedächtnis schärfen und aus unserer eigenen Geschichte lernen. Wir können der öffentlichen Meinung Ausdruck geben, bis sie zum ohrenbetäubenden Gebrüll wird."... Wir können zeigen, "dass die Menschen dieser Welt nicht nur die Wahl zwischen einer bösartigen Mickymaus und wahnsinnigen Mullahs haben. Unsere Strategie darf nicht nur darin bestehen, das Empire bloßzustellen, wir müssen es regelrecht belagern, dafür sorgen, dass ihm die Luft ausgeht. Wir müssen es beschämen und verspotten. Mit unserer Kunst, mit unserer Musik, unserer Literatur, unserer Dickköpfigkeit, und unserer Lebenslust, mit unserer Raffinesse und unserer Unermüdlichkeit - und nicht zuletzt damit, dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen, Geschichten, die sich von denen unterscheiden, die man uns eintrichtern will. Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist bereits im Entstehen. An stillen Tagen kann ich sie atmen hören."

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Perverse Ironie...
Wo andere sich zu Tode hungern müssen, wird's anderswo zum guten Ton:

"Mord an Models. Die Unterwerfung des Körpers unter die Marktgesetze", ein Kommentar aus der Wochenzeitung Freitag.

Innerhalb von drei Tagen - am 14. und am 17. November - starben zwei junge Brasilianerinnen an Magersucht, Anorexie. Tod durch Versagen fast aller Organe, Kreislaufzusammenbruch. Die 21-jährige Carla Sobrado Casalle, 1,74 Meter groß, wog bei ihrem Tod noch 55 Kilo - die ebenfalls 21-jährige Ana Carolina Reston brachte gerade noch 40 Kilo auf die Waage. Beide verfolgten die gleiche Absicht: Ihre Figur den in der Welt der Alta Moda geforderten Standards der schlanken, ranken Frau anzupassen. Sie wollten zu den aus Brasilien stammenden Stars am Himmel der Models wie Giselle Bündchen oder Adriana Lima aufsteigen und in Mailand, Paris oder New York schnell dickes Geld machen.

Wenige Wochen vor diesen tragischen Todesfällen veröffentlichte die Food and Agriculture Organisation der UNO (FAO) ihren Bericht über Nahrungsunsicherheit in der Welt: Die Zahl der Hungernden hat wieder zugenommen. Jährlich sterben 30 Millionen Menschen - sechs Millionen davon Kinder - den Hungertod. Und weil dieser Tod ebenso unnötig ist wie der Hungertod der beiden Models spricht der Schweizer Soziologe Jean Ziegler von millionenfachem Mord. Selbst im reichsten Land der Erde, in den USA, hungern zwölf Millionen Menschen.

Angesichts der sich hinter den Zahlen verbergenden individuellen Schicksale könnte der Tod der beiden Mannequins als Marginalie behandelt werden, würde darin nicht die tragische Paradoxie des Verhältnisses zur Natur - dieses Mal zur inneren Natur - zum Körper und zu seiner Gesundheit aufscheinen. Heute hungern Menschen, weil die Nahrungsmittel in der Welt ebenso ungleich verteilt sind wie Einkommen und Vermögen oder die Verfügung über Produktionsmittel. Doch stoßen wir gleichzeitig auf übergewichtige Menschen, die häufig der gleichen Klasse und Schicht entstammen wie die Hungernden. In den USA sind nach Angaben der OECD fast zwei Drittel der Einwohner fettleibig. Wenn wir die schlecht und unterernährten Amerikaner dazu zählen, sind drei Viertel der Bevölkerung nicht richtig ernährt. Man darf sich kaum wundern, dass ein Verständnis für Schädigungen an der äußeren Natur - etwa durch die hohen Emissionen an Treibhausgasen - fehlt, wenn die innere Natur, die Gesundheit durch quantitativ und qualitativ falsche Ernährung ruiniert wird, ohne dass dies größere Beachtung findet. Schließlich verdient daran ein expandierender medizinisch-industrieller Komplex.

Die beiden tragisch gestorbenen Models sollen als jüngere Mädchen "dicklich" (gordinha) gewesen sein. Dann kamen ihr Wunsch nach einer Karriere als Model und die Abmagerungskuren, die sich zur krankhaften, die Organe bis zum Kollaps schädigenden Magersucht verselbstständigten. Brasilianische Ärzte diagnostizieren, dass in ihrem Land inzwischen bis zu vier Prozent der jüngeren Frauen daran leiden. Unter Models sei der Prozentsatz doppelt so hoch. Der berufliche Erfolg verlangt Opfer, zumindest das Erbrechen der aufgenommenen Nahrung (Bulimie), damit kein Fett angesetzt werden kann. Das muss nicht immer einen tödlichen Ausgang haben - Schäden an Geist und Körper bleiben.

Daher hat die spanische Modeindustrie immerhin einen Body-mass-Index (Verhältnis von Körpergröße und Gewicht) vorgegeben, der Models den Laufsteg versperrt, wenn er eine kritische Größe unterschreitet. Doch welche Perversion verbirgt sich dahinter! Menschen müssen zur vernünftigen Ernährung gezwungen werden, während Millionen Menschen gern essen würden, aber sich keine Mahlzeit leisten können. Der Tod der beiden Models könnte daher auch bösartig als ein obszöner Kommentar auf das Null-Hunger-Programm (zero fome) von Präsident Lula gedeutet werden. Die einen, die den knurrenden Magen füllen wollen und es nicht können, und die anderen, die den Magen am Knurren halten, indem sie die zugeführten Speisen wieder erbrechen. Daran zeigt sich letzten Endes auch, wie kompliziert politisches Handeln selbst bei so einfachen Zielen ist, die jeder verstehen kann: zero fome. Denn es gibt die, für die Hunger das Mittel ist, die Figur "employable" - marktgängig - zu halten.

Vor 60 Jahren publizierte der brasilianische Arzt Josué de Castro mit der Geographie des Hungers ein epochales Werk, doch findet sich darin nichts über die Globalisierung des Körpers - die Zurichtung der brasilianischen gordinha zum spargelschönen Model durch tödlichen Hunger. Die Tragödie der beiden Mannequins aber, die im Vergleich zu den Millionenmassen der Hungernden kaum zählen mögen, zeigt, wie dieses Thema heutzutage in einer Geographie des Hungers nicht fehlen dürfte. Denn was mit Carla Sobrado Casalle und Ana Carolina Reston geschah, das ist ein auf perfide Weise begangener Mord.

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Ein Kind, das an Hunger stirbt...
Aus einem Interview mit Jean Ziegler (UNO-Beauftragter), Germanwatch-Zeitung 4/2005: vgl. J.Ziegler, Das Imperium der Schande, a.a.O.

„In den letzten Jahrzehnten sind auf der Erde unglaubliche Reichtümer entstanden, der Welthandel hat sich in den letzten 12 Jahren mehr als verdreifacht, das Welt-Bruttosozialprodukt fast verdoppelt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist der objektive Mangel besiegt und die Utopie des gemeinsamen Glückes wäre materiell möglich. Und gerade jetzt findet eine brutale, massive Refeudalisierung statt. Die neuen Kolonialherren, die multinationalen Konzerne – ich nenne sie Kosmokraten - eignen sich die Reichtümer der Welt an. Diese neue Feudalherrschaft ist 1000 Mal brutaler als die aristokratische zu Zeiten der Französischen Revolution ... Die Legitimationstheorie der Konzerne ist der Konsensus von Washington. Danach muss weltweit eine vollständige Liberalisierung stattfinden: Alle Güter, alles Kapital und die Dienstleistungsströme in jedem Lebensbereich müssen vollständig privatisiert werden. Nach diesem Konsensus gibt es keine öffentlichen Güter wie Wasser. Auch die Gene der Menschen, der Tiere und Pflanzen werden in Besitz genommen und patentiert. Alles wird dem Prinzip der Profitmaximierung unterworfen. Dabei setzen die Konzerne zwei Massenvernichtungswaffen ein, den Hunger und die Verschuldung. Das Resultat ist absolut fürchterlich ... Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet ... Diese kannibalische Weltordnung von heute ist das Ende sämtlicher Werte und Institutionen der Aufklärung, unter denen wir bisher gelebt haben, das Ende der Grundwerte, der Menschenrechte. Entweder wird die strukturelle Gewalt der Konzerne gebrochen. Oder die Demokratie, diese Zivilisation, wie sie heute in den 111 Artikeln der UNO-Charta oder im Deutschen Grundgesetz fixiert ist, ist vorbei und der Dschungel kommt. Es ist eine Existenzfrage.“

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Was ist die Gaia-Theorie? Eine grobe Zusammenfassung der Kerngedanken.
Die Gaia-Theorie ist eine relativ neue Idee, welche Mitte der 1960er Jahre von dem Chemiker, Biophysiker, Mediziner und Klimatologen James Lovelock und der Biologin Lynn Margulis entwickelt wurde und im Gegensatz zur bis dahin geläufigen Annahme steht, dass die Erde ein toter Felsklotz ist.

Die Gaia-Theorie geht davon aus, dass die Erde ein Lebewesen, ein einziger großer Organismus ist, der sich genau die Umgebung schafft, die er braucht. Das Steuerungs- und Rückkopplungssystem, das für diese Aktivitäten zuständig ist, benannte Lovelock vor gut einem Jahrzehnt, angeregt von dem Vorschlag des Literaturnobelpreisträgers William Golding, nach der griechischen Erdgottheit Gaia.

Die Gaia-Theorie behauptet, dass die Evolution des Lebens nur aus der aktiven Kooperation der Sphären, der vier Grundelemente des Erdbodens (Lithosphäre), des Wassers (Hydrosphäre), der Luft (Atmosphäre) und des Lebens (Biosphäre) erklärbar ist. Nach Lovelocks Gaia-Theorie sind die etwa vier Milliarden Lebensarten auf unserem Planeten durch Koevolution und Rückkopplung derart koordiniert, dass der gesamte Planet ein sich selbst organisierendes System darstellt. In einfacheren Worten bedeutet dies: So wie ein Mensch oder ein Tier aus kleineren Organismen besteht (rote und weiße Blutkörperchen, Zellen oder Bakterien und ähnliches), ohne die er nicht leben kann, sind Menschen und Tiere ihrerseits Teil eines größeren Lebewesens, nämlich der Erde.

Glaubt man der Gaia-Theorie, so ist der Mensch natürlich nicht mehr der Herr der Natur, sondern nur ein Teil des Gesamten, der sich anpassen muss oder andernfalls vernichtet wird.

Diese Gedanken sind immer wieder von der Wissenschaft belächelt und kritisiert worden. Nicht zuletzt, weil die Gaia-Theorie entscheidenen Einfluss auf die Hippie- und New Age-Bewegung hatte und zu einer Art Mythos und Pseudo-Religion erhoben wurde. Davon distanzierten sich die Schöpfer dieser Hypothese, so sagte Lovelock einmal:

„Aber wenn ich von einem lebendigen Planeten spreche, soll das keinen animistischen Beiklang haben, ich denke nicht an eine empfindungsfähige Erde oder an Steine, die sich nach eigenem Willen und eigener Zielsetzung bewegen. Ich denke mir alles, was die Erde tun mag, etwa die Klimasteuerung, als automatisch, nicht als Willensakt; vor allem denke ich mir nichts davon als außerhalb der strengen Grenzen der Naturwissenschaften ablaufend. Ich achte die Haltung derer, die Trost in der Kirche finden und ihre Gebete sprechen, zugleich aber einräumen, dass die Logik allein keine überzeugenden Gründe für den Glauben an Gott liefert. In gleicher Weise achte ich die Haltung jener, die Trost in der Natur finden und ihre Gebete vielleicht zu Gaia sprechen möchten.“

Lovelock meint also, dass man die Erde als Lebewesen ansehen kann, nicht in dem Sinne, dass sie eine Seele hat und bewusste Entscheidungen trifft, sondern im systemtheoretischen Verständnis, wonach sie ein System darstellt, welches sich als Gesamtheit organisieren und verändern kann.

Wie Verteidiger der Gaia-Theorie weiterhin gerne sagen, beruht der Spott ihrer Kritiker vor allem auf der Angst, sich von dem bestehenden Weltbild zu lösen und Ideen zu akzeptieren, die als "veraltet" und "primitiv" angesehen werden. Kulte, die der Verehrung von Natur und Erde galten, fanden sich tatsächlich in vielen frühen menschlichen Kulturen, sei es bei Germanen, Griechen oder Indios. Naturvölker praktizieren ähnliche Kulte noch heute. Die Gaia-Theorie ist ein Ansatz, eine wissenschaftliche Bestätigung dafür zu suchen.

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