Mittwoch, 14. November 2007
Jean Ziegler...
Die neuen Herrscher der Welt. Ausgewählte Zitate aus Jean Zieglers Werk "Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher".

Die vier apokalyptischen Reiter der Unterentwicklung heißen Hunger, Durst, Seuche und Krieg. Sie zerstören jedes Jahr mehr Männer, Frauen und Kinder, als es das Gemetzel des Zweiten Weltkriegs in sechs Jahren getan hat. Für die Menschen der Dritten Welt ist der »Dritte Weltkrieg« in vollem Gange.

Tag für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100 000 Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. 826 Millionen Menschen sind gegenwärtig chronisch und schwer unterernährt. 34 Millionen von ihnen leben in den wirtschaftlich entwickelten Ländern des Nordens; der weit größere Teil, 515 Millionen, lebt in Asien, wo er 24 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Betrachtet man jedoch den prozentualen Anteil der Opfer, so ist es das Afrika südlich der Sahara, das den größten Tribut zu leisten hat: Hier sind 186 Millionen Menschen dauernd schwer unterernährt, das heißt 34 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten von ihnen leiden an dem, was die FAO »extremen Hunger« nennt; ihre tägliche Lebensmittelration liegt im Durchschnitt 300 Kalorien unter der Menge, die zum Überleben unter erträglichen Bedingungen nötig ist. Die am stärksten von extremem Hunger betroffenen Länder liegen im subsaharischen Afrika (achtzehn Länder), in der Karibik (Haiti) und in Asien (Afghanistan, Bangladesch, Nordkorea, Mongolei).

Alle zehn Sekunden verhungert auf der Erde ein Kind unter zehn Jahren.

Ein Kind, das von seiner Geburt bis zum fünften Lebensjahr angemessene Nahrungsmittel in ausreichender Menge entbehren muss, hat sein Leben lang an den Folgen zu leiden. Einen Erwachsenen, der vorübergehend unterernährt war, kann man mithilfe komplizierter, unter ärztlicher Aufsicht vorgenommener Therapien in ein normales Leben zurückführen. Bei einem Kind unter fünf Jahren ist das unmöglich. Unzulänglich ernährt, haben seine Gehirnzellen bereits irreparable Schäden davongetragen. »Von Geburt an Gekreuzigte« nennt Régis Debray diese Kinder.

Hunger und chronische Fehlernährung stellen einen Erbfluch dar: Jahr für Jahr bringen Hunderte von Millionen schwer unterernährter Mütter Hunderte von Millionen unheilbar geschädigter Säuglinge zur Welt. Alle diese unterernährten Mütter, die trotzdem Leben schenken, erinnern an jene verdammten Frauen bei Samuel Beckett: »Sie gebären rittlings über dem Grabe, der Tag erglänzt einen Augenblick, und dann von neuem die Nacht.«

Eine ganze Dimension menschlichen Leidens fehlt noch in diesem Bild: die erstickende, unerträgliche Angst, die jeden Hungernden peinigt, sobald er erwacht. Wie wird er an diesem neuen Tag den Lebensunterhalt für die Seinen sichern und sich selbst ernähren können? In dieser Angst zu leben ist vielleicht noch furchtbarer, als die mannigfachen Krankheiten und körperlichen Schmerzen zu erdulden, die den unterernährten Körper befallen.

Die Zerstörung von Millionen Menschen durch Hunger vollzieht sich täglich in einer Art von eisiger Normalität – und auf einem Planeten, der von Reichtümern überquillt.

In dem Stadium, das die Erde durch ihre landwirtschaftlichen Produktionsmittel erreicht hat, könnte sie 12 Milliarden Menschen normal ernähren, anders gesagt, sie könnte für jeden einzelnen eine Ration von 2700 Kalorien pro Tag bereitstellen. Doch wir sind heute nur etwas über 6 Milliarden Menschen auf der Erde, und trotzdem leiden Jahr für Jahr 826 Millionen von ihnen an chronischer, krank machender Unterernährung.

Die Gleichung ist einfach: Wer Geld hat, isst und lebt. Wer keines hat, leidet und wird invalide oder stirbt.
Zu den Zerstörungen und Leiden, die den Völkern durch die Oligarchien des globalisierten Kapitals, sein militärisches Imperium und dessen Söldlinge, die Handels- und Finanzorganisatiotien, zugefügt werden, kommen noch jene, die durch Korruption und Untreue im Amt hervorgerufen werden, wie sie in zahlreichen Regierungen zumal der Dritten Welt in großem Stil gang und gäbe sind. Ohne die aktive Mittäterschaft und Korruption der Regierungen vor Ort kann nämlich die Weltordnung des Finanzkapitals nicht funktionieren. Walter Hollenweg, der angesehene Theologe von der Universität Zürich, fasst die Situation treffend zusammen: »Die besessene, schrankenlose Gier unserer Reichen, verbunden mit der Korruption der Eliten in den so genannten sich entwickelnden Ländern, bildet ein gigantisches Mordkomplott. ... Überall auf der Welt und Tag für Tag wiederholt sich der Kindermord von Bethlehem.«

Der Konsens von Washington bezweckt die Privatisierung der Welt. Er beruht auf den folgenden Grundsätzen.

1. In jedem Schuldnerland ist eine Reform des Steuersystems unter zwei Gesichtspunkten notwendig: Absenkung der steuerlichen Belastung der höchsten Einkommen, um die Reichen zu produktiven Investitionen anzuregen, und Ausweitung der Zahl der Steuerpflichtigen; im Klartext: Abschaffung von steuerlichen Vergünstigungen für die Ärmsten im Interesse einer Erhöhung des Steueraufkommens.

2. Möglichst rasche und vollständige Liberalisierung der Finanzmärkte.

3. Garantierte Gleichbehandlung von inländischen Investitionen und ausländischen Investitionen, um die Sicherheit und damit das Volumen der Letzteren zu steigern.

4. Möglichst weit gehende Zerschlagung des öffentlichen Sektors; zu privatisieren sind namentlich alle Unternehmen, die im Besitz des Staats oder eines halbstaatlichen Gebildes sind.

5. Weitestgehende Deregulierung der Volkswirtschaft des betreffenden Landes, um das freie Spiel der Konkurrenz unter den verschiedenen wirtschaftlichen Kräften zu garantieren.

6. Verstärkter Schutz des Privateigentums.

7. Förderung der Liberalisierung der Handelsbeziehungen im schnellstmöglichen Rhythmus, mit dem Minimalziel einer jährlichen Senkung der Zolltarife um 10 Prozent.

8. Da der freie Handel durch Ausfuhren gefördert wird, ist vorrangig die Entwicklung jener wirtschaftlichen Sektoren zu begünstigen, die zur Ausfuhr ihrer Güter imstande sind.

9. Begrenzung des Haushaltsdefizits.

10. Erzeugung von Markttransparenz: Staatliche Subventionen an private Wirtschaftssubjekte sind überall abzuschaffen. Staaten der Dritten Welt, die die Preise der gängigsten Nahrungsmittel subventionieren, um sie niedrig zu halten, müssen auf diese Politik verzichten. Bei den Staatsausgaben müssen diejenigen Vorrang haben, die dem Ausbau der Infrastruktur dienen.

(...) Hunger, Seuchen, Durst und armutsbedingte Lokalkonflikte zerstören jedes Jahr fast genauso viele Männer, Frauen und Kinder wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren. Für die Menschen der Dritten Welt ist der Dritte Weltkrieg unzweifelhaft in vollem Gang. Einige deutsche Ökonomen haben einen neuen Begriff geprägt: »Killerkapitalismus«." Und so funktioniert dieser Kapitalismus neuen Typs:

1. Die Staaten der Dritten Welt bekämpfen sich untereinander, um die produktiven Investitionen zu ergattern, die von ausländischen Dienstleistungsunternehmen kontrolliert werden. Um diese Schlacht zu gewinnen, schränken sie bedenkenlos den sozialen Schutz, die gewerkschaftlichen Freiheiten und den ohnedies schon geringen Verhandlungsspielraum der einheimischen Lohnempfänger ein.

2. Besonders in Europa gehen Industrieunternehmen usw. immer mehr dazu über, Geräte, Laboratorien und Forschungszentren ins Ausland zu verlegen. Diese Auslagerung macht sich häufig so genannte »Sonderproduktionszonen« zunutze, wo ein Schutz der Arbeiter unbekannt ist und die Löhne miserabel sind. Die bloße Androhung der Auslagerung hat eine unglaublich obszöne Rückwirkung: Sie veranlasst den Ursprungsstaat, immer mehr Forderungen des Kapitals nachzugeben, einem Abbau des sozialen Schutzes (Entlassungen, Deregulierungen) zuzustimmen, also mit einem Wort den heimischen Arbeitsmarkt durch »Verflüssigung« unsicherer zu machen.


3. Die Arbeitnehmer aller Länder treten damit in einen Wettbewerb jeder gegen jeden ein. Es handelt sich für jeden und jede darum, eine Beschäftigung und ein Einkommen für die eigene Familie zu ergattern. Diese Situation bewirkt eine zügellose Konkurrenz unter den verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmern, ihre politische Lähmung, den Tod der Gewerkschaftsbewegung – mit einem Wort die schmähliche, oft sogar verzweifelte Einwilligung des arbeitenden Menschen in die Zerstörung seiner eigenen Würde.

4. Im Inneren der europäischen Demokratien gibt es den unübersehbaren Bruch zwischen denen, die Arbeit haben und sie mit allen Mitteln zu behalten suchen, und denen' die keine Arbeit mehr haben, aller Voraussicht nach auch nie mehr bekommen und von den Arbeitsplatzbesitzern bekämpft werden. Die Solidarität der Arbeitnehmer ist zerrüttet. Weiteres Phänomen: Zwischen öffentlicher Funktion und privatem Sektor tut sich ein Gegensatz auf. Letztes und gravierendstes Phänomen: Der einheimische Arbeiter beginnt häufig, den eingewanderten Arbeiter zu hassen. Und die Folge ist Rassismus.

Gilles Perrault beschreibt sie so: »Dieses unübersehbare Heer der Opfer, deportiert von Afrika nach Amerika, zerfetzt in den Schützengräben eines wahnsinnigen Krieges, lebendig verbrannt vom Napalm, zu Tode gefoltert in den Kerkern der Wachhunde des Kapitals, füsiliert am Mur des Fédérés, füsiliert in Fourmies, füsiliert in Sétif, zu Hunderttausenden hingemetzelt in Indonesien, praktisch ausgerottet wie die Indianer Amerikas, massenhaft ermordet in China, zur Sicherung des freien Opiumhandels ... Sie alle haben die Fackel der Revolte des in seiner Würde gekränkten Menschen weitergereicht in die Hände der Lebenden. In die bald ermüdenden Hände jener Kinder der Dritten Welt, welche die Unterernährung, Tag für Tag, zu Zehntausenden tötet, in die abgemagerten Hände der Völker, dazu verurteilt, die Zinsen für eine Schuld zu zahlen, deren Kapital ihre Führungsmarionetten ihnen gestohlen haben, in die zitternden Hände jener immer zahlreicher werdenden Ausgegrenzten, die an den Rändern des Wohlstands vegetieren müssen [...]. Hände von einer tragischen Schwäche, und fürs erste noch unvereinigt. Aber sie können nicht anders, als sich eines Tages zu vereinen. Und an diesem Tag wird die Fackel, die sie tragen, einen Brand entfachen, der die alte Welt in Schutt und Asche legen wird.«

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 14. Mai 2007
Von Lovelock persönlich...
"Kann ein Planet, der fast ausschließlich aus Felsen besteht, die noch dazu zum größten Teil weißglühend oder geschmolzen sind, leben? Bevor man diese Vorstellung als absurd zurückweist, denke man ein anderes großes, lebendes Objekt: einen großen Mammutbaum, eine amerikanische Riesenkiefer. Sie lebt, obwohl sie zu 99 Prozent aus totem Holz besteht. Wie die Erde besitzt sie nur eine dünne, die Oberfläche bedeckende Haut aus lebendem Gewebe".

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 11. April 2007
Johann Wolfgang von Goethe
"Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt auf ewig Knecht."

... link (0 Kommentare)   ... comment