Montag, 18. Februar 2008
Generation doof und die Art der Liebe.
Obwohl ich altersmäßig absolut nicht zum alten Eisen zähle, so kommt es mir doch immer öfters vor, dass ich mich bei so manchem gesellschaftlichen Phänomen unendlich alt fühlte. Oder zumindest fehl am Platze, wenn ich das so sagen darf. Man wünscht sich schlichtweg ergreifend nicht zu dieser Generation zu gehören, da man mit dem Pack nicht ein Quäntchen gemein hat. Schon gar nicht was mit Lebensart und Hobbys zutun hat.
Es betrifft nicht nur das Rauchen oder den Suff, wie er von „Generation doof“ so vorzüglich zelebriert wird, sondern vor allem und gerade das Liebes- und Familienleben der modernen Gefühlskrüppel, die zunehmend zu echten Vollzeitegozentrikern werden.
Doch eine Gesellschaft, die nicht fähig ist, ihre Güter solange sorgsam zu nutzen bis sie wirklich verbraucht sind, sondern stattdessen Kindern gleich nach neuen Spielzeugen schreit, muss sich auch nicht wundern, wenn der Mensch zunehmend zu einer Wegwerfware verkommt.
Wenn die CDU irgendetwas von alten Werten wie etwa Familie faselt, darf man sie ruhig ebenso wie die FDP für eine Spaßpartei halten. Es ist nun wahrlich kein Geheimnis, wie sehr sich Familie und freie Marktwirtschaft konträr gegenüber stehen. So mutet es eben gerade deswegen besonders schizophren an, dass Konservative „alte Werte“ ebenso verteidigen wie etwa den Kapitalismus/Neoliberalismus in der absoluten Form als das höchste der Gefühle.
Doch statt dem veralteten protestantischem Kapitalismus, besitzen wir nun eine neue Form, die nicht mehr aus puritanischen Gründen arbeitet und Geld spart, sondern eine Art „Fun-Kapitalismus“, der so viel Spaß verleiht, wie man Geld scheffelt. Das Recht der vollen Tasche sorgt für einen ungezügelten Konsum, der auch gerade diejenigen anheizt, die sich nicht das edle Gefresse der Reichen leisten können. Was das mit Liebe zutun hat? Sehr viel.
Wenn wir uns daran gewöhnen, bei jedem Stimmungstief einen Konsumrausch zu starten, werden wir schon sehr bald – es ist teilweise schon so – Menschen ebenso behandeln, wie einen Toaster, der nicht mehr zur neuen Wandfarbe der Küche passt. Der Partner wird nicht mehr nach Gesichtspunkten der möglichst langen Beziehung oder gar Ehe ausgesucht, sondern wird allein an Maßstäben des Geldes und des Spaßfaktors gesetzt. Bestimmte Artikel wie etwa in „jetzt.de“ (Süddeutsche für Generation doof) zeugen von der allgemeinen Stimmung bezüglich Partnerschaft: Warum für einen sich sparen, wenn man mehrere haben kann? Und wenn einer von denen anfängt zu „nerven“ wird er per SMS an die frische Luft gesetzt.
Aber fangen wir doch einmal an.
Es geht dabei um eine Figur in einem Film und das Ideal der Autorin:
Jetzt erfahren wir auch noch, dass Swinton total lässig Liebesbeziehungen zu gleich zwei verschiedenen Männern pflegt. Der eine ist knapp zwanzig Jahre älter und lebt mit ihr und den gemeinsamen Kindern. Der andere ist knackige zwanzig Jahre jünger und für Reisebegleitung und romantisches Bespaßungsprogramm zuständig. Swinton findet das Unternehmen „einfach so vernünftig“.
Was daran „vernünftig“ sein soll, bleibt mir schleierhaft. In der Regel sorgen Affären bloß für Ärger und sind in den seltensten Fällen offen und ehrlich. Um ehrlich zu sein: wäre ich der Ehemann, würde Geld für die Familie heranschaffen, sorge mich um Frau und Kinder und muss dann mit anhören, dass Madame bei einem Schürzenjäger sich „bespaßen“ lässt… Das wäre nicht nur ein Liebes- und Vertrauensbruch, sondern zudem auch absolut undankbar und respektlos gegenüber dem Ehemann. Vernünftig wäre dagegen die Einsicht, das nicht alles immer Fun und Spaß ist. Auch leidliche Erfahrungen gehören zum Leben dazu und erfordern unseren Einsatz. Alle reden sie von „Zen“, aber wehe, sie sollen die buddhistische Wahrheit „Alles ist Leid“ tatsächlich erfassen. Da sind sie wieder erstaunlich still.
Aller Erfahrung nach liegt die Unfähigkeit, immer nur einen Menschen gut zu finden, in der Natur des Menschen. Die Literatur, die Popmusik, die Telenovela, das Tagebuch auf jetzt.de – all die kulturellen Errungenschaften der westlichen Welt wären ein Nichts, wären traurig und öde ohne die verbotene Romanze und den heimlichen Seitensprung. Heimliche Verguckungen und sexuelle Nebenschlachtfelder sind der Kleister, der größere Freundeskreise und kleinere Ortsgemeinden an der Basis zusammenhält.
Wohl eher Klatsch und Tratsch und der entsteht nur nicht aus sexuellen Trieben heraus. Aber vermutlich stimmt irgendetwas nicht mit mir, denn interessanterweise brauche ich keine „Bespaßung“ neben meinem Ehemann. Meiner reicht mir, er ist mein bester Freund, mein Seelenverwandter zugleich. Warum noch einen daneben? Andere „gut finden“ kann ich trotzdem. Warum muss das immer im sexuellen Kontext sein? Ich finde auch meinen homosexuellen Kumpel gut oder meine Kumpanin im Kunstkurs. Den Sencha-Tee auf meinen Tisch. Ich finde einen Menschen nicht gut, weil er sexuell attraktiv ist, sondern weil er für mich vernünftige Ansichten vertritt. Ich find’s weder schade noch traurig, oder sonst was. So bösartig es auch klingt: Dummes Gerede ist etwas für die Kleingeister unter uns. Die politische, wirtschaftliche und soziale Situation der Gesellschaft empfinde ich als wichtiger. Es ist schon ziemlich schade, wenn etwas so schönes und intimes wie Sex zum Kleber für sonst unsinnige Beziehungen ist. Wo sind die Brettspielabende, die Parteigruppentreffs und Tanzabende hin, bei denen sich die Menschen noch sinnvoll beschäftigt haben? Und wer kommt eigentlich auf die dümmliche Idee, Fremdgehen sei die Natur des Menschen? Nein, ich will jetzt nichts von Zwergschimpansen hören. Denn wir sind keine Zwergschimpansen, sondern eine eigene, denkende (so sollte es zumindest sein) Art. Wir besitzen ein großes Gehirn, wieso benutzen wir das nicht ab und an mal?
Selig sind diejenigen, die viele Jahre in einer Beziehung leben, ohne sich irgendwann zwischendurch mal seitwärts zu verlieben, denn sie wissen nicht, was eine temporäre Schizophrenie ist. Ein bisschen unheimlich sind sie aber auch.
Ja, mir wurde schon oft genug nachgesagt, ich sei zu ernst, langweilig und trocken. Und natürlich unfeminin, weil ich mich nicht jedem Mann an den Hals werfe. Sagen interessanterweise nur Jugendliche und Junge Erwachsene. Meine Lehrer, Professoren und allgemein ältere Semester schätzen mich dagegen für meine Vernunft.
Vermutlich sind die genauso trocken wie ich.
Zudem fehlt mir hier die Differenzierung: Zwischen einer harmlos-oberflächlichen Schwärmerei und dem Verlieben bestehen gewaltige Unterschiede. Eine Schwärmerei ist von kurzer Dauer, kaum intensiv und vergeht ohne großartige Folgen. Schwärmen, das kann man auch für irgendwelche Popstars.
Dass sich zwei Menschen über viele Jahre und durch viele Phasen synchron und parallel entwickeln ist zwar das allgemeine Beziehungsideal, aber in Wahrheit ein ganz seltenes Glück. Es ist halt so: Nur wenige Menschen auf dieser Welt erfüllen alle Maßstäbe, die wir an sie anlegen. Entweder sie mögen unsere Freunde nicht, oder sie wollen anders Sex. Wir finden die Musik abscheulich, die sie hören, oder haben etwas an ihren Körperpflegegewohnheiten auszusetzen.
Erinnert sich jemand noch daran, wie ich erwähnte, wir behandeln zunehmend unsere Mitmenschen als Ware? Hier findet’s sich wieder. Wenn eine Beziehung wirklich daran zerbricht, weil die Dame ab und zu Popmusik hört, aber der Herr lieber Metal, so ist das… Ziemlich bezeichnend für eine Gesellschaft, deren Mitglieder eine derartig ausgeprägte Egozentrik entwickelt haben, dass der Partner nur noch das Accessoire darstellt. Freilich hat er oder sie komplett die Bedürfnisse und Anforderungen zu erfüllen, ansonsten darf er/sie sich gleich trollen. Man muss schon fähig sein, Kompromisse zu bilden, und wo’s gar nicht geht, sollte man vorher das geehrte Hirn einschalten anstatt ins Bett zu gehen. Der Partner ist ebenso ein fühlendes und denkendes Wesen wie man selbst, mit eigenen Hobbys, Einstellungen, Ängsten und Zielen. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was bess’res findet.
Und wenn wir ehrlich sind, verlangen wir auch ganz schön zu viel, wenn wir von einer Person die Erfüllung all unserer Wünsche erwarten.
Nicht nur das. Was wünschen wir uns eigentlich? Für viele rund um die Uhr ein Spaßprogramm, dickes Geld und jede Meine freie Zeit. Wehe der Geldgeber Ehemann wird arm durch Verspekulierung etcetera: Dann geht’s nomadisch zum nächsten. Wer will denn schon Kinder und einen liebenden Mann?
Beides ist schmerzhaft und traurig und deswegen könnte man eigentlich Frau Swinton zu ihrer Lösung beglückwünschen. Sie zwingt nicht einen einzelnen Menschen dazu, ihr in allen Lebenslagen zur Verfügung zu stehen, sondern ordnet die Männer um sich herum so an, dass sie nur in den Situationen zum Einsatz kommen müssen, zu denen sie passen. Also den geerdeten 68jährigen als Familienvater und den freshen Junggaleristen als Partypartner. Wenn die beiden damit zurecht kommen, warum auch nicht?
Ja, wenn. Nicht nur, dass es ziemlich verachtend ist, Männer nach Bedarf zu „ordnen“, es passt sicher auch den Kindern nicht, wenn Mami regelmäßig einen anderen Mann über sich rutschen lässt, der nicht Papi ist.
An der Stelle würde ich wirklich sehr gerne wissen, welcher Mann damit absolut keine Probleme hätte? Meinungen der werten Herren bitte als Kommentare!
Vermutlich, weil die Normen unserer Gesellschaft stärker sind, als die meisten ihrer Mitglieder. Weil es schon fast unmöglich ist, über eine Dreiecksbeziehung ironiefrei nachzudenken und nicht nur auf emotionale Verkommenheit oder Gier zu reduzieren.
Es ist auch nicht gerade produktiv, „Monogamisten“ als feige, vertrocknete Langweiler darzustellen. Ironiefrei sind Dreiecksbeziehungen nie, man muss schon ein dickes Fell besitzen und keinen „Anspruch“ erheben wollen. Wer schafft das schon? Viele hätten gerne das Sozialleben der Katze, aber solche Menschen verkennen, dass wir überaus soziale Familientiere sind. Nicht der Staat war das erste Gemeinwesen, sondern die Familie und der daraus resultierende Clan.
Die Vorstellung von Exklusivität in der Liebe liegt nun mal genauso in der Natur des Menschen wie seine Tendenz immer noch mehr oder etwas anderes zu wollen. Leider erlauben wir eben nur unseren Eltern, andere Menschen neben uns zu lieben. Und tragen, wenn die das nicht absolut gerecht tun, auch lebenslange Schäden davon. Tja, und dazu kommt dann die Praxis. Denn letztlich kann sich kein Mensch – romantisch gesehen – auf zwei Personen gleichzeitig konzentrieren. Und wenn er es versucht, kann er damit rechnen, früher oder später so ausgelaugt und verstimmt zu enden, dass eh niemand mehr in ihn verliebt bleibt.
    Bis auf zwei Dinge gehe ich damit konform:
  • Es liegt keine Tendenz in der Natur des Menschens, immer anderes haben zu wollen. Diese „Haben!Haben!Haben!“-Mentalität ist ein herangezüchteter Wesenszug aus den Äonen des Kapitalismus. Es ist eine Binsenweisheit, das wir gepaart mit überzogenen Anforderungen immer auf das „Bessere“ warten, weil wir uns partout nicht zufrieden geben wollen. Wir müssen beginnen uns wieder auf das Wesentliche in unserem Leben zu konzentrieren und nicht auf den nicht-existenten Märchenprinz zu warten. Das geht vor allem an jene Geschlechtsgenossinnen meinerseits, die den loyalen und ehrlichen Liebenden ablehnen, nur weil seine Geldbörse nicht platzt.
  • Was heißt hier „Leider?“ Ich würde das nicht mitmachen. An den/die Mann/Frau des Lebens so viele Jahre des Lebens zu verschenken und dann auf’s Abstellgleis gestellt zu werden, weil’s langsam Falten gibt? Nein, danke. Ich würde mit 80 Jahren gerne gemeinsam mit dem Lebensgefährten resümieren können.
Nein, ich bin keine Monogamie-Fanatikerin, keine Konservative oder Sittenwächterin, aber eine (versuchte) Stimme der Vernunft. Und so übertrieben ist die Ansicht der Dinge nicht. In Amerika, dem kapitalistischen Land der aufgehenden (Dollar)Sonne, sind in 90% aller Scheidungen die lieben Finanzen der Hauptgrund. Das ist erbärmlich, wenn man bedenkt, was die Ehe an sich eigentlich ist.
Statt dem Ideal einer Liebe, die aus einer Besten-Freunde-Situation heraus entstanden ist, zählen nur noch oberflächliche Gesichtspunkte und ein allgemeiner Konsens, das Liebe bloß Spaß und Sex ist. Der Partner ist nicht mehr wichtig sobald er die eigenen Triebe nicht mehr erfüllen kann und wehe, er ist einmal traurig und benötigt sonst wie Unterstützung! Dann tritt der Ottonormalmensch gerne den Rückzug an.
Das größer werdende Unvermögen, stabile und dauerhafte Beziehungen aufbauen zu können, trifft besonders die Kinder, da diese auf feste und allseits verfügbare Elternpersonen angewiesen sind. Sie können ebenso wenig auf die Mutter verzichten als wie auf den Vater. Poweremanzen, die noch immer meinen, der Mann sei bloß „Befruchter“, sollten sich ganz dringend über die neuesten Studien informieren: Kinder ohne eine Vaterperson laufen eher Gefahr asoziales Verhalten zu entwickeln als Kinder mit Vater.

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Als glücklicher Verlobter...
... kann ich eigentlich nur jeglichen Aussagen zustimmen. Wie soll eine Ehe mit Familie denn auch anders funktionieren als durch festen Zusammenhalt aller Mitglieder? Ich gehöre noch zu der aussterbenden Art, die Familie als einen Ort der Einkehr, Sicherheit und Liebe ansieht. Wenn ich mir da vorstelle, dass Mami jede zweite Woche nicht am Frühstückstisch sitzt, sondern mit einem knackigen jungen Mann im Bett liegt... Wie sollen denn da Kinder und auch Ehemann eine innige Beziehung aufbauen?

Nein, nein, ich bleibe bei meiner monogamen Einstellung, denn bei meiner Liebe habe ich alles, was ich woanders nach jahrelanger Suche nicht finden würde.

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